Strichätzung

Der Öko-Panzer

Vor zwei Jahren regten wir uns alle über E-Scooter auf, diese nutzlosen Leihroller, die die Partypeople erst nüchtern, später zusehends trunkener von einer Kneipe zur nächsten transportieren – und am Ende nach Hause oder in die Notaufnahme. Weil der Fahrer (sind fast nur Männer, die in grandioser Selbstüberschätzung auf den E-Esel steigen) das unpraktische Gefährt direkt in die Straßenbahnschiene steuert und sich aufs Maul legt.

Ansonsten vermüllen sie nutzlos den öffentlichen Raum, ohne dafür Knöllchen zu kassieren. Warum eigentlich? Wenn ich falsch parke, zahle ich locker 25 Euro. Wenn diese E-Scooter oder auch Amazon, Flaschenpost und UPS mit ihren Transportern die Straßen und Bürgersteige blockieren, zahlen sie alle – nichts. Genauso wie das neueste Modevehikel: das E-Lastenbike!

Die Dinger sehen aus wie Miniräder, die zur Stretch-Limo gefoltert wurden. Zwischen zwei kleinen Rädern sitzt der Fahrer, vor ihm die Ladefläche. Je nach Ausführung und Lasteninhalt sieht das dann aus wie ein rollender Sandkasten (Kinder), eine mobile Hundehütte (Haustier) oder eine fliegende Parkbank (ich – mit Bierflasche). Breiter als ein Radweg sind E-Lastenbikes der SUV unter den Fahrrädern – wenn man diese Öko-Panzer überhaupt noch Fahrräder nennen kann! In sozialen Brennpunkten wie Berlin-Prenzlauer Berg, Hamburg-Altona oder München-Haidhausen ist das E-Lastenbike das Zeichen der sozialen Distinktion, sozusagen der Ferrari unter den Zweirädern oder auch der Mercedes unter den Qi-Gong-for-Business-Selbstoptimierern.

Das E-Lastenbike ist der 40-Tonner der Tempo-30-Zone, mit ähnlich langem Bremsweg wie der motorisierte Truck, weshalb die Dinger auch noch lebensgefährlich sind: sowohl für die Insassen als auch für die umgefahrenen Fußgänger. Ich liebe Radfahren. Aber mehr so mit Selber-Treten. Doch wahrscheinlich bin ich nur mental im 20. Jahrhundert stecken geblieben.

Robert Griess

www.robertgriess.de