Land der Dichter und Denker
»Lebe frei oder stirb!« steht auf ihren Plakaten. Maskenlos demonstrieren sie gegen Tyrannei, Antifa und Schwangerschaftsabbruch und für das Recht, frei von Krankenversicherung zu sein. Verkleidet als Milizionäre schwenken sie US-Flaggen und posieren mit halb- automatischen Gewehren. Mit behaglichem Grusel schauen wir auf die Bilder aus den USA: Was sind die doch rückständig. Und was sind wir doch so demokratisch, friedlich und aufgeklärt. Deutschland – das Land der Dichter und Denker. 75 Jahre ist es gerade her, dass Europa vom Land der Richter und Henker befreit wurde: durch die Alliierten, die Rote Armee und die US Army.
Wer tummelt sich denn auf Demos gegen Merkel-Diktatur, Kondensstreifen am Himmel, G-5-Strahlen, Maskenpflicht und Impfzwang in Stuttgart, Leipzig, Berlin? Demonstrierende halten Schilder hoch: »Ich bin ein Covid-Jud«. Tragen »Ungeimpft«-Judensterne. Eine Schülerin vergleicht sich mit Anne Frank. Ihren Geburtstag hätte sie heimlich feiern müssen – wie das jüdische Mädchen, das sich im Hinterhaus verstecken musste. Wie Anne Frank – versteckt, verraten, ermordet im KZ Bergen-Belsen?
Es sind nicht nur irre Aluhüte, dumpfe Evangelikale und braune Esoteriker*innen, die mit Nazis marschieren. Der Nazi-Terror wird banalisiert, der Massenmord an den Jüd*innen verharmlost, Hass auf die Demokratie angeheizt. Der Dichter und Dramaturg Heiner Müller sagte einmal: »Zehn Deutsche sind dümmer als fünf.« Stimmt’s?