Ausbildung

»Wir stecken viel Arbeit in die Suche von Auszubildenden«

Die Azubis der Kolb Group

Von Halloween und Hüttenübernachtung

Wie Hans Kolb Wellpappe künftige Packmitteltechnolog*innen sucht und findet

Kurz vor Halloween ist es wieder so weit: Auf Paletten thronen Kürbisse mit Fratzen, auf dem Boden flackern LED-Lichter in Wellpappe-Laternen. Es ist die Nacht der Packmitteltechnolog*innen bei der Kolb Group in Memmingen. Dazu sind interessierte Schüler*innen und Eltern eingeladen. Das Programm: Führungen, Infos von den Azubis, ein Snack im Betriebsrestaurant. Ziel ist, junge Leute für die Ausbildung zu gewinnen. Zehn Berufe bildet das tarifgebundene Unternehmen in den sechs Produktionsstandorten aus. Macht zurzeit 67 Azubis in allen Ausbildungsjahren. Das Ergebnis von viel Einsatz.

»Wir präsentieren uns auf jeder Ausbildungsmesse und auf jedem Berufsinformationstag von Schulen«, erzählt Markus Zettler. Er ist seit Kurzem hauptberuflich für die gewerblichen Ausbildungen zuständig. Die Firma – rund 1.000 Beschäftigte – schalte Anzeigen in Zeitungen und auf Azubi-Plattformen.

Große Konkurrenz

Am schwierigsten sei es, künftige Packmitteltechnolog*innen zu finden. »Der Beruf ist leider zu wenig bekannt«, sagt Zettler, 30, der selbst bei der Firma Verpackungsmittelmechaniker – so die frühere Berufsbezeichnung – gelernt hat. Die Konkurrenz in Memmingen ist groß: Maschinenbau, Elektrotechnik, chemische Industrie – die Unternehmen bilden Berufe aus, die jeder kennt, etwa Industriemechaniker*innen und Mechatroniker*innen. »Die schnappen sich die Besten weg.« Hans Kolb Wellpappe kommt dann mitunter erst in den Blick der Schüler*innen, wenn sie in ihren Wunschbetrieben und -berufen nicht landen konnten.

Wer sich für einen Ausbildungsberuf interessiert, muss neben einem Einstellungstest und dem Vorstellungsgespräch ein Praktikum absolvieren. Unbedingt. Zwei, drei Tage, maximal eine Woche. In fünf wichtige Abteilungen erhalten die Praktikant*innen einen Einblick, darunter Druckstanze, Faltschachtelklebemaschine und Wellpappanlage. Jede Abteilung schreibt eine Beurteilung: Hat er Interesse gezeigt? War sie pünktlich und zuverlässig? Hat er mal von sich aus etwas angepackt? »So können wir feststellen, ob jemand zur Firma passt. Und die jungen Leute können prüfen, ob der Beruf ihren Erwartungen entspricht.« Auch das verhindere, dass die Ausbildung abgebrochen werde.

Zweitagestour zum Kennenlernen

Zum Standard gehören bei Hans Kolb Wellpappe ein betrieblicher Ausbildungsplan, ein Kommunikationstraining im ersten Jahr und die Übernahme nach bestandener Abschlussprüfung. In der ersten Woche gibt es eine Zweitagestour mit Wanderung, Übernachtung auf einer Hütte und Kennenlernspielen für die neuen Azubis. Außerdem alle sechs Wochen einen Azubi-Nachmittag: Jeder bereitet sich abwechselnd auf ein Thema vor und erklärt den anderen etwa die Funktion eines Maschinenteils oder die Arbeit im Einkauf.

Zettler plant schon die nächste Halloween-Veranstaltung; die soll eine Nacht der Ausbildung werden. »Wir müssen uns ständig was überlegen, um junge Leute zu finden und zu halten.«

»Wer Fachkräfte will, muss sie selbst ausbilden«

Trotz großer Konkurrenz besetzt die Druckerei Faubel jedes Jahr alle Plätze

Personalleiter Heiko Fehr gehört zu den Scouts, die potenzielle Azubis suchen. Bei der Druckerei Faubel & Co. Nachfolger im nordhessischen Melsungen werden vor allem Etiketten für Medikamente und klinische Studien produziert. 260 Beschäftigte, 20 Azubis. »Wir besetzen alle Ausbildungsplätze, weil wir viel Arbeit in die Suche von Auszubildenden stecken.«

Dazu gehört: Seit vielen Jahren gute Kontakte zu Gesamt- und Fachoberschulen halten, die Firma in Schulklassen präsentieren, Betriebsbesichtigungen und Betriebspraktika anbieten.

Aber alles durchdacht. Kinowerbung ja, aber nur in Kinos in weiterer Umgebung, weil die Druckerei in Melsungen bereits bekannt ist. Berufsinformationsmessen ja, aber nur solche mit vielen Interessierten. Selbst angehende Lehrer*innen der Universität Kassel werden eingeladen, um sich bei Faubel Anregungen für den Unterricht in Arbeitslehre mitzunehmen. Der Nebeneffekt: Sie kennen den Betrieb und empfehlen ihn später womöglich für Praktika. Für Unternehmen, die über unbesetzte Ausbildungsplätze und ungeeignete Bewerber*innen jammern, hat Heiko Fehr kein Verständnis. »Wer nichts tut und nur wartet, dass Bewerbungen eintreffen, macht es sich zu einfach.« Solche Unternehmen hätten die Lage in der Druckindustrie nicht begriffen. »Wer Fachkräfte will, muss sie selbst ausbilden.« Mehr als die Hälfte der Belegschaft hat bei Faubel gelernt.

In Watte wird keiner gepackt

Es sei in der Vergangenheit selten vorgekommen, dass Ausbildungsverträge aufgelöst wurden. Er erinnert sich an drei Fälle in knapp zehn Jahren. Je sorgfältiger Bewerber*innen ausgewählt und die jungen Leute während der Ausbildung betreut würden, desto seltener werde abgebrochen.

Faubel kümmert sich schon vor dem ersten Ausbildungstag um die Azubis: Die Neuen, die im Herbst starten, werden mit Eltern, Großeltern und Geschwistern schon jetzt zum Familientag eingeladen. Auch bei der Azubi-Fahrt mit Floßbau, Paddeln auf der Fulda und Barbecue sind sie mit von der Partie. Klingt wie Erlebnispädagogik. »Das ist es nicht. Wir erwarten von den Azubis den Willen zu lernen. Wir packen keinen in Watte.« Alle drei Monate müssten sie im Feedbackgespräch ihre Berichtshefte und Klassenarbeiten aus der Berufsschule vorlegen. Zusätzlich erhielten sie weitere Aufgaben, etwa eine Präsentation zu einer Maschine oder einer Abteilung zu erstellen.

Gewerbliche oder technische Berufsausbildungen stünden wieder höher im Kurs, sagt Fehr. Die Zahl der Bewerbungen steige. Auf die neun Ausbildungsplätze Medientechnologie Druck und Maschinen- und Anlagenführer*in erhält Faubel inzwischen wieder knapp 70 Bewerbungen, drei Mal so viel wie vor einigen Jahren. Und weil die Konkurrenz mit VW in Baunatal bei Kassel und B. Braun, dem Pharma- und Medizinproduktehersteller in Melsungen, groß ist, müssen die Konditionen stimmen. Die Druckerei hat einen Haustarifvertrag, der den Tarifvertrag der Druckindustrie anerkennt, zahlt neben dem tariflichen Urlaubs- und Weihnachtsgeld eine Erfolgsbeteiligung von knapp 3.000 Euro und bietet 30 Tage Urlaub sowie weitere sieben freie Tage.