Schusterjunge

Jobbende Rentner*innen

Kaum ein Zug fährt. Auf Busse wartet man vergeblich. Im Metro-Tunnel gähnende Leere. Während des Aktionstags am 9. Januar streikten auch Lehrer*innen, Anwält*innen, Ärzt*innen. Sie protestieren gegen die Rentenreform von Präsident Macron. Franzosen haben es zu gut, schimpft der Wirtschaftsprofessor Gilbert Cette. Sie verlangten alles Mögliche: höhere Einkommen, bessere Schulen, mehr Krankenhäuser. Der Professor ist der Peter Hartz von Frankreich, Ideengeber für Arbeitsmarktreformen. Jetzt gibt er Tipps an arme Rentner*innen: »Nichts hindert Sie, mit einem Job neben der Rente ihr Einkommen zu verbessern.« So einfach ist das. Früh aufstehen, Zeitungen auf den Rollator packen und los geht’s!

Die protestierenden Franzosen und Französinnen haben jedoch mehr verstanden als die meisten Medien in Deutschland. Im Huckepack der Rentenreform ist eine finanzielle Entlastung für Reiche vorgesehen. Dann ist genug Geld da für die private Altersvorsorge – in der Finanzmarktindustrie knallen die Sektkorken. Die Protestierenden haben begriffen, dass die Reform des einstigen Investmentbankers Macron ein Angriff auf den Sozialstaat ist. Und der neoliberale Wirtschaftsprofessor steht ganz in der Tradition der französischen Königin Marie Antoinette, der dieser Satz fälschlicherweise zugeschrieben wird: »Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen!«