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Unterwegs zum Gautschen

Wo es spritzt und platscht und Packer und Meister 
am Werk sind, landen nach guter alter Tradition junge 
Menschen im Sturzbad

Tropfnass taucht Gautschling Ricki Rausch aus dem eiskalten Wasser auf. Während die frischgebackene Mediengestalterin noch nach Luft schnappt, schütten die Packer schon die nächsten Wasserkübel über ihrem Kopf aus. »Gebt ein Sturzbad obendrauf, das ist die allerbeste Tauf’«, rezitiert Gautschmeister Hans Kempgen. Schließlich soll die Gesellin frei von ihren Lehrlingssünden »rein an Körper und Geist« aus der Wanne steigen.

Gemeinsam mit zehn weiteren Kornuten, wie die angehenden Gesellen und Gesellinnen hier heißen, wird sie auf dem Marktplatz im Hessenpark gegautscht, also nach alter Tradition in die Zunft der Drucker aufgenommen. Wer etwas zögert, wird von den kräftigen Händen der Packer in den Bottich gehoben und komplett untergetaucht. Fröstelnd stehen die tropfenden Gautschlinge dann auf der Bühne vor den rund 300 Schaulustigen und sprechen ihr Gelöbnis nach. »Jederzeit und immerdar« wollen sie ihre Kraft und ihr Wissen zum »Wohle der Kunst und zum Ruhme Altmeister Gutenbergs« einsetzen.

Früher sehr viel derber

Cool findet Ricki Rausch vor allem den Gautschbrief mit Buchdruckerwappen, den die neuen Jünger der Schwarzen Kunst zum Abschluss erhalten. Neun Kornuten sind Mediengestalterinnen und -gestalter aus verschiedenen Betrieben Mittelhessens. Nur Silvia Werfel (61) hat schon vor 40 Jahren ihre Schriftsetzerinnenlehre gemacht. Nun holt sie ihre Taufe nach.

»Das Gautschfest ist viel größer, als ich dachte«, sagt Kornutin Constance Wahlers. Dabei sei es genau genommen kleiner und weniger derb als früher, sagen die erfahrenen Drucker. Er sei noch kopfüber ins Wasserfass getunkt worden, erzählt Erich Heppner (71), der einst bei der Frankfurter Rundschau gelernt hat. Nun hat er sich für seine Rolle als Packer ein Knechtskostüm ausgeliehen. Hans Kempgen ist in die Montur eines Landvogts mit Dreispitz, weißer Halskrause und rotem Wams geschlüpft. Der Schriftsetzer und Buchdrucker war schon viele Male Gautschmeister. Vor 20 Jahren kam der heute 68-Jährige auf die Idee, den selten gewordenen Brauch wiederzubeleben: »Weil es Spaß macht.« Heute ist das Gautschfest der Saisonhöhepunkt für das ehrenamtliche Team der Druckerei im Freilichtmuseum Hessenpark.

Das Gautschen bezeichnet eigentlich das Herauspressen des Wassers bei der Papiererzeugung und geht bis ins 16. Jahrhundert zurück. In früheren Zeiten mussten die Gautschlinge die ausgedehnten Trinkgelage selbst bezahlen. Um das zu finanzieren, gab es sogar Zeiten, in denen ein Teil ihres Lohns einbehalten wurde. Auch Kempgen musste 1971 noch 500 Mark für seinen Einstand berappen. Da haben es die heutigen Kornuten und Kornutinnen besser: Sie werden – gesponsert von zwei Druckereien und einer Brauerei – selbst zum Festessen eingeladen. Anschließend gibt’s Freibier für alle.

Fotos vom Gautschfest: http://bit.ly/GautschF