Mein Standpunkt

Was hältst du von den Gelbwesten?

Über Frankreich schwappt eine gelbe Welle. Los ging es am 17. November, als die Macron-Regierung angekündigt hatte, dass die Steuern auf Benzin und Diesel noch einmal steigen sollten. An diesem Tag wurden Verkehrskreisel und Autobahnmautstellen massiv belagert. Darunter waren viele Menschen, die noch nie demonstriert haben. Leute, die auf dem Land wohnen und aufs Auto angewiesen sind, die wenig verdienen, Rentner und Arbeitslose. Und weil sie gelbe Warnwesten tragen, heißen sie bei uns Gelbwesten, Gilet jaunes. Sie finden sich über soziale Netzwerke zusammen, haben keine Sprecher und lehnen Parteien und Gewerkschaften ab. Wir von der CGT waren ihnen gegenüber anfangs skeptisch, weil wir fürchteten, dass die Bewegung durch Rechtsextreme gesteuert wird. Das ist aber nach unserer Kenntnis nicht so. Und, ja, bei den Protestaktionen kommt es zu Gewalt; wir können aber nicht erkennen, dass die Gewalt von den Gelbwesten ausgeht.

Im Laufe der Zeit forderten die Gelbwesten außerdem, dass der Mindestlohn um 200 Euro erhöht, die Vermögensteuer wiedereingeführt und der zusätzliche Sozialbeitrag für Rentner zurückgenommen werden sollte. Die Gelbwesten haben es geschafft, dass König Macron – er wird so genannt, weil er sich so aufführt – Zugeständnisse macht, etwa bei den Rentnern. Die Wut der Menschen ist groß. Mächtiger wären wir, wenn wir gemeinsam kämpften: die Gelbwesten und wir von der CGT. Wir haben mit anderen Gewerkschaften und 
Organisationen am 19. März zu einer 
Demonstration aufgerufen und viele Zehntausend Menschen protestierten in Paris 
und überall im Land.

Raymond Ruck
bis vor Kurzem 
Generalsekretär der französischen Gewerkschaft CGT in Alsace (Elsass)
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