Arbeit

Ohne Oma ginge nichts

Befristete Teilzeit und ein Minijob in der Weiterverarbeitung – 
Arbeitsmarktpolitik ganz praktisch für eine Alleinerziehende

Ihr letzter Urlaub liegt zehn Jahre zurück. Das 19 Jahre alte Auto kann sie sich nur leisten, weil ihr Bruder – ein Kfz-Mechaniker – die Reparaturen übernimmt. Und Kino ist nur am Familientag drin.

Nadine Willersdorf, wie sie hier heißen soll, träumt von einem unbefristeten, ordentlich bezahlten Job mit geregelten Arbeitszeiten, so von 8 bis 16 Uhr. Dann könnte sie ihre siebenjährige Tochter Lena täglich vom Hort abholen. Sie hätte Zeit, mit ihr zu spielen und regelmäßig zum Tanzen zu gehen.

Doch der Alltag der alleinerziehenden Mutter sieht anders aus: Der Job im Supermarkt ist befristet und nur in Teilzeit. Und wenn die Spätschicht an der Kasse endet, hängt sie ein- oder zweimal pro Woche einen Minijob in der Weiterverarbeitung einer Zeitungsdruckerei an.

Dort arbeitet schon lange keiner mehr nach dem Tarif der Druckindustrie. Der Verlag hat die Weiterverarbeitung ausgegliedert – das kommt für ihn billiger. Nadine Willersdorf verdient fürs Prospekteeinlegen nur den gesetzlichen Mindestlohn von 8,84 Euro, pro Monat macht das gut 200 Euro. Viel ist das nicht.

Im Supermarkt bekommt sie brutto 1.734 Euro für die 28-Stunden-Woche. Bleiben netto knapp 1.300 Euro. Die Befristung sei üblich, sagt die gelernte Einzelhandelskauffrau. »Alle fangen so an.« In der Regel wird man nach der dritten Befristung auf Dauer angestellt. Aber sicher ist das nicht. Ihre Chefs loben sie zwar für ihre Freundlichkeit, wünschen sich aber mehr Schnelligkeit. Nach der internen Statistik zieht sie nicht ganz so viele Artikel pro Stunde über den Scanner wie ihre Kolleginnen. Das bereitet ihr ein bisschen Sorge. »Ich arbeite, so schnell ich kann«, sagt die 34-Jährige.

Um nicht irgendwann ganz ohne Arbeit dazustehen, behält sie sicherheitshalber den Minijob in der Weiterverarbeitung. Von der Nachtschicht kommt sie zwischen zwei und vier Uhr morgens nach Hause. Die Tochter schläft dann bei der Oma. Wie so oft. Willersdorfs Schichtplan hängt bei ihr am Kühlschrank: »Meine Mutter ist Gott sei Dank so eine Stütze.« Der Vater von Lena hat nie einen Cent Unterhalt gezahlt. »Ohne Oma ginge es gar nicht.«

Nadine Willersdorf hat nicht die Zeit, genau zu verfolgen, wer für welche Arbeitsmarktpolitik verantwortlich ist. Sie hat genug mit dem Alltag zu kämpfen. Im Sommer, so hofft sie, gibt es einen unbefristeten Vertrag im Supermarkt und endlich richtigen Urlaub: Spanien oder zumindest die Ostsee, das wäre 
schön.