Dem Chef die Stirn geboten
Schoder Druck: Belegschaft verweigert Einzelarbeitsverträge | Warnstreiks für einen Tarifvertrag | Geschäftsführung droht Betriebsrat | Einschüchterung von Streikenden
Alle Maschinen stehen still. Die Belegschaft von Schoder Druck in Gersthofen streikt für einen Tarifvertrag.
Es ist still bei Schoder. Sämtliche Maschinen in der Druckerei und der Weiterverarbeitung sind abgeschaltet. Die Männer und Frauen stehen draußen vor dem Tor, trillerpfeifend, eingepackt in gelbe Westen. Das erste Mal dauerte der Warnstreik 24 Stunden. Weil sich die Geschäftsführung jedoch weiter weigerte, mit ver.di über den Tarifvertrag zu verhandeln, und nun auch dem Betriebsrat drohte, streikt die Belegschaft eine Woche später erneut – doppelt so lang. Schon im Sommer hatten sich die Beschäftigten mutig gegen die Geschäftsführung gestellt. Mehr als drei Viertel der Belegschaft hatten sich geweigert, neue Einzelarbeitsverträge zu unterschreiben. Damit war die Strategie der Geschäftsleitung gescheitert, jedem Einzelnen schlechtere Arbeitsbedingungen abzupressen.
Länger arbeiten, weniger verdienen
Doch von vorne: 2010 stellte sich heraus, dass sich Schoder Druck in Gersthofen 2003 aus der Tarifbindung gestohlen hatte. Heimlich. Ohne ver.di, den Betriebsrat oder die Belegschaft zu informieren. Lohnerhöhungen zahlte die Druckerei verspätet, wenig oder gar nicht. Neue Kollegen und Kolleginnen erhalten weniger Urlaub als mit Tarif, müssen länger arbeiten und verdienen weniger. Im Juli kündigte der Druckereibesitzer sein sogenanntes Standortsicherungskonzept 2020 an, ohne sich mit ver.di zu verständigen. Dieses Mal sollte es alle treffen. Die 120 Männer und Frauen hätten sich mit ihrer Unterschrift unter die neuen Verträge verpflichtet, drei Stunden gratis zu arbeiten und auf die Hälfte des Urlaubsgelds und der Jahresleistung zu verzichten. Eine Gegenleistung – wie Beschäftigungssicherung – bot Schoder Druck nicht an. Stellte jemand auf der Mitarbeiterversammlung eine kritische Frage, wurde die abgeblockt.
»Der Punkt war erreicht, dass sich die Leute nichts mehr gefallen lassen wollten«, sagte Gewerkschaftssekretär Rudi Kleiber. Sie forderten ihren Tarifvertrag zurück. Rund 80 Prozent weigerten sich, die Einzelarbeitsverträge zu unterschreiben. Damit war die Strategie des Unternehmers fehlgeschlagen.
Einschüchterung statt Gespräche
Angebote von ver.di, über einen Tarifvertrag zu verhandeln, lehnte Schoder Druck ab. Im zweiten Standort, dem Augsburger Druck- und Verlagshaus, war es ver.di auch gelungen, den Drucktarif nach mehreren Warnstreiks wieder durchzusetzen. Dort gibt es zusätzlich einen Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung. Das soll auch in Gersthofen durchgesetzt werden. »Wir wollen nicht schlechter gestellt werden als die Belegschaft in Augsburg«, sagt eine Beschätigte.
Schoder Druck setzt auf Einschüchterung statt auf Gespräche. Wie lange er denn schon im Betrieb beschäftigt sei, fragte der Juniorchef beim Warnstreik einen Streikenden. Die Firma habe ihn von der Straße geholt und zum Dank würde er nun streiken. Der Juniorchef, erzählt Kleiber weiter, empfahl, wir sollten gleich einen Bus bestellen, um die Leute zur Agentur für Arbeit zu fahren. Die Geschäftsführung möchte sich zu den Vorfällen gegenüber DRUCK+PAPIER nicht äußern.
Einen Versprecher des Betriebsratsvorsitzenden nimmt die Druckerei jetzt zum Anlass, ihn abzumahnen, mit Einleitung eines Kündigungsverfahrens, dem Ausschluss aus dem Betriebsrat und einer Klage auf Unterlassung zu drohen. Betriebsratsvorsitzender Franz Hihler hatte in einem telefonischen Interview mit der örtlichen Zeitung zwei Zahlen verwechselt. Er hatte gesagt, die Firma habe seit 2005 keine Lohnerhöhungen mehr bezahlt. Richtig ist, dass es die jüngste Lohnerhöhung 2015 gab.
Mal mit Tarif, mal ohne
Zur bayerischen Rollen- und Bogenoffsetdruckerei Schoder Druck gehören zwei Standorte: Franz Schoder Druck in Gersthofen und das ADV-Augsburger Druck- und Verlagshaus in Augsburg. Zusammen arbeiten dort nach Firmenangaben rund 280 Beschäftigte. Das Augsburger Druck- und Verlagshaus ist tarifgebunden, die Druckerei in Gersthofen ist tariflos.
Als völlig überzogen empfinden die Beschäftigten die Reaktion der Geschäftsführung auf den Versprecher. Sie waren gleich dabei, als der Warnstreik um weitere 24 Stunden verlängert wurde. Unterstützung erhält die Belegschaft von der Betriebsseelsorge und der Katholischen Arbeitnehmerbewegung. Jetzt hat die Geschäftsführung den Arbeitgeberverband Druck & Medien in Bayern aufgefordert, ein Konzept zu Schoder Druck zu erarbeiten. »Wir erwarten ein Konzept auf Basis des Drucktarifvertrags«, erklärt Rudi Kleiber. »So lange die Druckerei nicht den Tarifvertrag unterschreibt, so lange muss sie mit Warnstreiks rechnen.«