Die Nacht ist zum Schlafen da
Je länger jemand Schicht arbeitet, desto stärker steigt das Risiko für gesundheitliche Beschwerden. Am häufigsten leiden Schichtarbeiter unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Magen-Darm-Beschwerden. Aber auch innere Unruhe, Nervosität, Niedergeschlagenheit und vorzeitige Ermüdung sind eine Folge von Schichtarbeit. Bis zu 95 Prozent der Schichtarbeiter mit Nachtschicht klagen über Schlafstörungen. Zudem ist festgestellt worden, dass bei Schichtarbeitern die Gedächtnisleistungen abnehmen, man kann sich schlechter erinnern. Und auch die Lebensgewohnheiten ändern sich: Schichtarbeiter rauchen häufiger und haben häufiger Übergewicht als Tagarbeiter. Schichtarbeiter/innen haben außerdem ein höheres Krebsrisiko. Eine 2015 veröffentlichte Studie zeigt, dass regelmäßige Nachtschichten über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren das Sterblichkeitsrisiko durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenkrebs steigert. Unabhängig davon, ob jemand rauchte oder nicht. Dafür wurden Daten von mehr als 70.000 Krankenpflegerinnen ausgewertet.
Probezeit für neue Schichtpläne
Schichtarbeiter tun sich schwer, einen neuen Schichtplan zu akzeptieren. Das ist verständlich, weil jeder neue Schichtplan zur Folge hat, das gesamte Freizeit- und Familienleben neu organisieren zu müssen. Jede Schichtplanänderung ist demnach ein erheblicher Eingriff ins Leben der Schichtarbeiter. Umso wichtiger ist es, die Schichtarbeiter am neuen Modell zu beteiligen und eine Probezeit zu vereinbaren. Der neue Plan wird etwa ein Jahr lang getestet, Erfahrungen werden ausgewertet, das Modell gegebenenfalls korrigiert. Am Ende der Probezeit kann die Belegschaft entscheiden, ob das neue Modell bleibt oder zum alten zurückgekehrt wird.
Ein guter Schichtplan
Wie gut oder schlecht Schichtarbeit verkraftet wird, hängt auch vom Schichtplan ab. Und der muss nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen gestaltet sein. Das schreibt das Arbeitszeitgesetz vor. Aus Sicht der Arbeitswissenschaftler muss ein guter Schichtplan wenigstens einige der folgenden Kriterien berücksichtigen:
• Nicht mehr als drei Nachtschichten hintereinander
• Nach einer Nachschicht möglichst lange Ruhephase (mindestens 48 Stunden)
• Ein Vorwärts-Wechsel von Früh-Spät-Nacht ist besser als von Nacht-Spät-Früh.
• Frühschicht nicht zu früh beginnen (am besten nicht vor 6.30 Uhr)
• Nicht mehr als drei Früh- und drei Spätschichten hintereinander
• Nachtschicht so früh wie möglich beenden.
• Mindestens ein komplett freies Wochenende pro Monat
Verboten
Darüber hinaus gibt es Schichtfolgen, die gesetzlich verboten sind, etwa der Wechsel von der Spät- auf die Frühschicht oder von der Nacht- auf die Spätschicht. Weil die elf Stunden Ruhezeit zwischen den Schichten fehlen, die nach Paragraf 5 Arbeitszeitgesetz vorgeschrieben ist.
Raus aus der Nachtschicht
Weil Nacht- und Schichtarbeit belastend ist und häufig gesundheitliche Störungen und Krankheiten nach sich zieht, gibt es bei älter werdenden Belegschaften immer mehr Beschäftigte, die nachts nicht mehr arbeiten dürfen. Liegt ein arbeitsmedizinisches Attest vor, muss der Arbeitgeber nach Paragraf 6, Absatz 4, Arbeitszeitgesetz dem Beschäftigten einen Tagesarbeitsplatz zur Verfügung stellen, der seiner Qualifikation und Eingruppierung entspricht. Einzige Bedingung: Es dürfen keine dringenden betrieblichen Erfordernisse entgegenstehen. Wer aus der Nachtschicht aussteigt, muss allerdings auf den Zuschlag von 15 bis 35 Prozent verzichten.
Suppe statt Haxe
Der Magen schätzt Regelmäßigkeit. Nacht- und Schichtarbeitern wird deshalb empfohlen, die beiden Hauptmahlzeiten des Tages – das Mittag- und Abendessen – unabhängig von der Schicht immer im gleichen Zeitraum einzunehmen. Sprich: Mittagessen zwischen 12 und 13.30 Uhr, Abendessen zwischen 18 und 19 Uhr. Außerdem ist der Magen ein Tagarbeiter. Weil er nachts ruht, verkraftet er kein deftiges Essen. Das macht müde und der Magen verdaut es nur an. Also lieber eine Suppe als eine Haxe und gegen vier Uhr einen Snack. Danach nichts mehr essen, um den Schlaf nicht zu stören.
Mindestens sieben Stunden Schlaf
Nachtarbeiter müssen schlafen, wenn es Tag ist und Licht, Lärm und Wärme stören. Untersuchungen im Schlaflabor haben gezeigt, dass der Schlaf am Tag insgesamt kürzer ist, es zu weniger Traum- und zu kürzeren Tiefschlafphasen kommt. Die sind aber wichtig für unsere geistige und körperliche Erholung. Schichtarbeiter schlafen im Schnitt nur fünf Stunden nach der Nacht- und vor der Frühschicht. Das ist zu wenig. Der Mensch braucht sieben Stunden, sonst leidet langfristig die Gesundheit. Nachtschichtarbeiter schlafen tagsüber am besten in einem kühlen, abgedunkelten Zimmer. Notfalls Ohrstöpsel nehmen und Telefon und Klingel abstellen. Besser gleich nach der Nachtschicht aufs Ohr legen, jede Stunde Nachtschlaf ist wertvoll.
Die innere Uhr
Unser Körper gehorcht einer inneren Uhr. Die steuert den Schlaf-Wach-Rhythmus, die Körpertemperatur, Verdauung oder Hormonproduktion. Immer in Kurven: Tagsüber schlägt das Herz schneller als nachts und wir atmen schneller. Nachts ruht dagegen die Verdauung und die Körpertemperatur sinkt auf ihr Minimum. Wir sind aktiv, wach und leistungsfähig, wenn es hell ist, und wir sind schläfrig, wenn auch der Tag zur Ruhe kommt. Die innere Uhr ist bei jedem Menschen gleich, sie lässt sich nicht aus- und anschalten und nicht austricksen.
Schichtarbeit, insbesondere nachts, läuft der inneren Uhr zuwider. Das hat Folgen. Im Schlaflabor konnte gezeigt werden, dass die Rhythmen bei mehreren Nachtschichten hintereinander verflachen, es gibt kein deutliches Tages-Maximum und kein Nacht-Minimum mehr. Der Körper bringt also auch tagsüber nicht mehr die Leistung wie ein Tagarbeiter, die Körperfunktionen sind gestört. Das Arbeiten gegen die innere Uhr führt dazu, dass sich der Körper nicht mehr vollständig regenerieren kann und sich aus seinen Reserven bedient. Und damit besteht die Gefahr, krank zu werden. Arbeitsmediziner empfehlen deshalb, nicht mehr als drei Nachtschichten hintereinander zu arbeiten, weil sich ab diesem Zeitpunkt bereits Störungen zeigen.
Hilfe bei der Schichtplangestaltung
INQA (Initiative Neue Qualität der Arbeit) hat ein Online-Tool für einen ergonomischen Schichtplan erarbeitet. Mit einem Tool »Arbeitszeiten online bewerten«, Checklisten, einer Datenbank und einem Freischichten-/Bringschichtenrechner. http://inqa.gawo-ev.de/cms/
Zum Lesen und Klicken
„Leitfaden zur Einführung und Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit“ von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zum Herunterladen. http://www.baua.de/de/Publikationen/Broschueren/A23.html
Broschüre der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zum Herunterladen: »Schichtarbeit – Rechtslage, gesundheitliche Risiken und Präventionsmöglichkeiten«, DGUV-Report 1/2012, http://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/iag-schicht-1.2012.pdf
Tue ich genug für meine Gesundheit? Ein Online-Check für Schichtarbeitende hilft, das herauszufinden. Mit Auswertung.
Die Änderung von Schichtplänen ist unbeliebt. Bei den Firmen Thyssen Krupp Rasselstein und Phoenix Contact wurden die Schichtpläne auf kurze Früh-, Spät- und Nachtschichten umgestellt. Die Belegschaften haben die neuen Modelle ausprobiert und sind damit gut klargekommen. Das zeigt der Film. http://www.arbeitswissenschaft.net/mediathek/ifaa-filme/