Hintergrund

Umweltfreundlich drucken

Fast alle Druckprodukte können ökologisch hergestellt werden | Noch machen zu wenige Druckereien mit | 
Pionier war das Druckhaus Berlin-Mitte

Umweltfreundlich drucken? Das war lange undenkbar, jetzt ist es möglich. Obwohl die Kriterien für Druckprozesse, Materialien und Hilfsstoffe streng sind. Erst wenn alle Anforderungen erfüllt sind, gibt es den Blauen Engel. Offiziell zusammengefasst sind die Anforderungen seit zwei Jahren im RAL-Umweltzeichen (UZ) 195. RAL ist die staatlich autorisierte Stelle, die den Blauen Engel vergeben darf. Bundesweit über 130 Institutionen, Verlage oder Unternehmen haben solche Erzeugnisse schon in Auftrag gegeben – Behörden, Stiftungen und Hochschulen, Handelsketten, Versicherungen oder Bioköche.

Bislang wurden erst 36 Druckereien nach dem Umweltzeichen zertifiziert. Viele sind das nicht bei insgesamt 5.000 Druckereien in Deutschland. Neben Rollen- sind auch Bogenoffset- und Tiefdruckereien dabei. Inzwischen können fast alle Druckprodukte umweltfreundlich hergestellt werden – von Flyern, Broschüren mit Klebebindung oder Rückstichheftung über Kataloge und großfor-
matige Kalender bis zum Buch.

Das erste fest gebundene umweltfreundliche Buch mit knall-
gelbem Lesebändchen, herausgegeben vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, erschien zum Jahreswechsel.

Gefertigt wurde es im Druckhaus Berlin-Mitte. Mehr als 60 Exponate mit dem Umweltzeichen sind hier schon gedruckt worden, zu drei Vierteln für Neukunden. Jetzt hat mit »Stimmen gegen den Hunger« das zweite Hardcover aus dem Ministerium den Blauen 
Engel erhalten. Wir forschten nach, was es braucht, ein solches Buch zu produzieren.

 

Martin Lind, Geschäftsführer Druckhaus Berlin-Mitte
»Die umweltverträglichen Putzmittel, die wir jetzt einsetzen, sind teurer und reinigen leider auch nicht so gut. Wenn unsere Männer an der Druckmaschine wieder mal richtig fluchen, erinnern wir sie, dass die alten Reiniger im Verdacht standen, die Zeugungsfähigkeit zu beeinträchtigen. Das ist passé …«

 

Bettina Uhlmann, Umwelt
bundesamt, Fachgebiet Ökodesign, Umweltkennzeichnung
»Eine spezielle Handreichung, die auch kleineren Druckereien bei der Produktion nach den strengen Kriterien des Umweltzeichens helfen soll, wird ab Mitte Juni von Fachleuten erarbeitet. Workshops dazu gibt es vielleicht schon ab Herbst.«

 

Dr. Achim Schorb, Institut für Energie-
 und Umweltforschung, Heidelberg
»Wenn sich Druckprodukte von der Wiege bis zur Bahre problemlos wiederaufbereiten lassen, dann halten sie auch dem enormen Druck durch die neuen Medien stand. Denn dass ein E-Reader ökologisch sinnvoller sein sollte als ein umweltfreundlich zertifiziertes Buch, das sehe ich lange nicht.«

 

Annett Koslowski, Buchbindermeisterin, Reinhart & Wasser
»Um Klebstoffe und Zutaten zu finden, die den strengen Kriterien entsprechen, gab es mit dem Druckhaus Mitte eine kleine Probeproduktion für das Hardcover. Wir haben einige Exemplare mit Originalpapier, Originalfarben, Schutzfolien und zulässigen Leimen gebunden. Nach positiven Institutstests können auch wir nachweislich umweltfreundliche Leistungen anbieten.«

 

1. Generelle Vorgaben

Umweltzertifizierte Druck
erzeugnisse müssen:
• so hergestellt sein, dass ihr 
Recycling nicht behindert wird
• Recyclingpapiere verwenden, um Wälder zu schonen, den Wasser- und Energieverbrauch zu senken
• schadstoffarme, deinkbare Druckfarben nutzen
• bei der Weiterverarbeitung auf PVC und chromhaltige Metalle verzichten, nur Lacke oder Klebstoffe verwenden, die wasser
löslich oder aussortierbar sind
• so gedruckt sein, dass Gefahrstoffe und Emissionen sowie Abfall minimiert, Ressourcen und Energie gespart werden

 

2. Anforderungen an den Betrieb

Das Druckhaus ist seit 15 Jahren 
für sein Energie- und Abfall
management zertifiziert und mit »EMAS-Umweltmanagement 2016«* ausgezeichnet:
• CO2-Fußabdruck gegenüber 2015 um 15,7 % gesenkt
• Alkoholeinsatz um mehr 
als 40 % verringert
• Stromverbrauch im Stammhaus um fast 10 % gesenkt
• Beschäftigte zu Umweltthemen geschult

*
• Eco-Management and Audit Scheme, 
 bekannt als Öko-Audit

 

3. Material und Hilfsstoffe

Das Musterbuch des Druckhauses von 2015 bietet 31 Recyclingpapiere (UZ 14) in verschiedenen Weißgraden und Grammaturen. Das nächste Musterbuch wird fast doppelt so dick sein. 
Das Druckhaus hat frühzeitig auf Farben und Lacke umgestellt, die weniger als ein Prozent aromatische Kohlenwasserstoffe aus Mineralöl enthalten. Ab 2017 ist das für Blaue-Engel-Erzeugnisse Pflicht. 
Es werden ausschließlich umweltfreundliche Zusatzprodukte und Reinigungsmittel verwandt.

 

4. Wo der Kunde mitredet

Steckbrief des Buches:
• 
Inhalt, Vor- und Nachsatzpapier: Balance Pure
c
• Bezugsmaterial: Circlematt White
c
• Druckfarbe: Cofree, Schutzlack: Acrylc
c
• Leime: ein Eukalin, ein Technomelt, ein DuraPro und drei Dispersionsleime
c außerdem: Faden, Kapitalband, Zeichenlitze, Fälzel, Buchbinderpappe,
• PVS-freie Folie als Schutz

 

5. Nachweise und Kooperation

Auch wenn nur zulässige Materialien eingesetzt werden, dürfen zwischen ihnen keine schädigenden Wechselwirkungen eintreten. Dazu sind Tests (Ingede-Methoden) und Nachweise nötig.
 Das erhöht auch Anforderungen an die Kooperation mit anderen Gewerken, etwa Buchbindern.

 

www.blauer-engel.de
www.druckhaus-berlin-mitte.de