Arbeit

Rüder Umgang bei Funke

»Rechte der Beschäftigten mit Füßen getreten« | 
Feier für die einen, Rausschmiss für die anderen | 
Verzicht aufgezwungen

Zur Begrüßung Glühwein und geröstete Kastanien. Später Speisen à la carte im Festsaal. Der Anlass: Die Funke-Redakteur/innen der Frauen- und Programmzeitschriften sollten sich kennenlernen. Deshalb flogen die Hamburger zur Weihnachtsfeier zu den Münchnern. Mit einem Charterflugzeug, extra geordert. Eine Riesenfeier. Tolle Sache. Liebevoll gemacht. Erzählen Redakteur/innen, die dabei waren.

Bei der Funke Mediengruppe gibt es zwei Welten. In der einen Welt werden Beschäftigte belohnt, wenn sie dort arbeiten, wo Geld verdient wird. Zum Beispiel bei den Zeitschriften. In der anderen Welt, in der Auflagen sinken und Abonnements zurückgehen, wie bei Tageszeitungen, herrscht ein rüder Umgang.

Die Zeitungszusteller/innen in Hagen gehören zu dieser anderen Welt. Dort wurden niedrige Löhne bezahlt, dort musste man seine Arbeitskleidung selber mitbringen. Die ver.di-Aktiven taten sich zusammen und forderten einen Haustarifvertrag, der mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen sichert. Viele Gespräche hat es gegeben; dann ist gelungen, was in der Zustellerbranche selten vorkommt: Zusteller/innen haben zwei Mal gestreikt.

Prekäre Situation ausgenutzt

Funke Logistik in Hagen hat darauf reagiert: Aber nicht mit Verhandlungen, sondern mit Streikbrecherprämien. Als der gesetzliche, für Zusteller/innen abgesenkte Mindest
lohn in Kraft getreten war, legte die Firma 1,40 Euro pro Stunde drauf, verlangte im Gegenzug aber die Unterschrift unter neue Arbeitsverträge. Ausgerechnet an den Tagen, als der Betriebsrat zur Schulung außer Haus war und die Kolleginnen und Kollegen nicht beraten konnte, wurde jede/r Zusteller/in von der Geschäftsleitung einbestellt. Sie sollten die neuen Verträge unterschreiben. »Die Leute wurden überrumpelt«, kritisiert Rolf Ellerkamp von ver.di. In den Verträgen sei festgelegt gewesen, dass sie alle möglichen Produkte zusätzlich zu Zeitungen zustellen sollten. Bei vorgeschriebenen, viel zu kurz bemessenen Zeiten.

Es dauerte nicht lange, da gründete Funke eine neue Zustell-Logistik-Firma. Alle Zusteller/innen wurden dorthinein verfrachtet. Übrig blieb ein Torso mit wenigen Beschäftigten, die meisten davon Betriebsräte. Inzwischen ist die Firma geschlossen. »Die Rechte der Beschäftigten wurden mit Füßen getreten«, sagt Ellerkamp. Funke bringe Menschen erst in prekäre Situationen und nutze die dann aus.

Kasernenhofton

Ähnliches wird über das Funke-eigene Callcenter berichtet: schlechte Bezahlung, lange Arbeitszeiten, Kasernenhofton. Kranksein ist im Callcenter nicht gern gesehen. Funke belohnt die Gesunden. Wer weniger als zehn Tage im Jahr krank ist, erhält eine sogenannte Gesundheitsprämie.

Publizistisches Einerlei

Früher hatte die Zeitungsgruppe WAZ noch Wert auf publizistische Unabhängigkeit gelegt. Davon ist heute nicht mehr die Rede. »Heute haben Kaufleute das Sagen«, erklärt Zeitungsforscher Horst Röper. Zentralisierung macht auch vor Redaktionen nicht halt.

Eine einzige Zentralredaktion in Berlin beliefert alle Regionalzeitungen mit überregionalen Inhalten – Print und Digital. Und so steht auf den Seiten zu Politik, Wirtschaft, Feuilleton in den Funke-Zeitungen in Nordrhein-Westfalen das Gleiche wie in den Funke-Zeitungen in Thüringen, in der Berliner Morgenpost und dem Hamburger Abendblatt. Nicht anders beim Sport: Eine einzige Redaktion aus Essen beliefert alle Titel.

Die Funke Mediengruppe sagt von sich selbst, sie sei auf dem Weg, das beste nationale Medienhaus in Deutschland zu werden. In Wirklichkeit produziert sie publizistisches Einerlei. Eine Einheitsredaktion steckt dahinter, wenn es in Rundfunk- oder Zeitungsmeldungen heißt. »Wie die Funken Mediengruppe berichtete, …«

Starke Betriebsräte

Nach Schließung der Druckerei im thüringischen Löbichau besitzt die Funke Mediengruppe noch die beiden tarifgebundenen Druckereien in Essen und Braunschweig. Außerdem die beiden tariflosen in Erfurt und Hagen. Dort werden vor allem die Funke-Tageszeitungen und Anzeigenblätter produziert. In allen vieren wurden die Beschäftigten zu Verzicht gezwungen. Die Weiterverarbeitung in Braunschweig ist an eine tariflose Fremdfirma vergeben, die Maschinenbesetzungsregeln in Hagen und Essen wurden geschleift. Allerdings gibt es auch Erfolge. Betriebsratsvorsitzender Jörg Brokmann von der Braunschweiger Zeitung berichtet, dass in Redaktion und Verlag Arbeitszeitregelungen durchgesetzt werden konnten. Eher eine Seltenheit in der Branche. »Starke Betriebsräte bedeuten auch bessere Arbeitsbedingungen.« In Braunschweig und in Essen haben kürzere Arbeitszeiten Arbeitsplätze gesichert. Der Personalabbau war weniger drastisch als von Funke geplant. Die 32-Stunden-Woche in Essen gilt weiter bis Ende 2019. Betriebsrat Klaus Blömeke: »Bis dahin haben wir dieses Mal hoffentlich Ruhe.«

WAZ-Modell passé

In den 70er-Jahren firmierte der Verlag noch unter dem Titel Zeitungsgruppe WAZ. Damals hatte er sich mehrere Zeitungen einverleibt und machte mit dem sogenannten WAZ-Modell von sich reden. Konzernübergreifende Dienstleistungen wie IT, Anzeigenverkauf, Verwaltung und Druck wurden zentralisiert. Die Redaktionen blieben unabhängig. Schon damals hatten sich »die Pfennigfuchser aus Essen«, wie die Verlagsgeschäftsführung genannt wurde, durchgesetzt. Das WAZ-Modell war das »Supersparmodell« (Manager Magazin) aus dem Ruhrgebiet. Und ist inzwischen Vergangenheit.

Wem Funke gehört

Zwei Journalisten gründeten 1948 die Westdeutsche Allgemeine Zeitung: der Sozialdemokrat Erich Brost und das CDU-Mitglied Jakob Funke. Jahrelang gehörte die Zeitungsgruppe WAZ (später WAZ Mediengruppe) den Familien Brost und Funke. Bis 2013 die Brost-Erben ihren 50-Prozent-Anteil an die Funke-Tochter Petra Grotkamp verkauften – und der Weg frei war für die Funke Mediengruppe. Der verschachtelte Konzern verlegt in Deutschland zwölf Tageszeitungen, mehr als 170 Publikums- und Fachzeitschriften, Anzeigenblätter sowie Kundenzeitschriften. Monopole hat Funke bei den Tageszeitungen in Thüringen und in Nordrhein-Westfalen. Außerdem ist der Konzern an Medien im Ausland und elektronischen Medien im Inland beteiligt. Knapp zwei Drittel des Umsatzes erwirtschaftet Funke mit Tageszeitungen und Anzeigenblättern. Auch wenn Angaben zu Vermögen problematisch sind, weil sie nicht nachzuprüfen sind: Die Funke-Tochter und Aufsichtsratsvorsitzende Petra Grotkamp stand 2013 mit einer knappen Milliarde Euro auf Platz 123 in der Liste der 500 reichsten Deutschen. Ihr gehören zwei Drittel des Konzerns, der Rest teilt sich auf zwei Schwestern auf.