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Scheidung mit ungewissem Ausgang

Auch die Druckindustrie und Papierverarbeitung sind vom Brexit betroffen. Was sich langfristig ändert, ist nicht absehbar

Die britische Premierministerin hat die Scheidung von der EU eingereicht, nun beginnen die Austrittsverhandlungen. Was das am Ende für Beschäftigte auf der Insel und ihre Kolleg/innen auf dem europäischen Festland bedeutet, ist Kaffeesatzleserei. Vor der Abstimmung hatten viele Ökonomen einen sofortigen Einbruch der britischen Wirtschaft vorhergesagt. »Ich warne vor Horrorszenarien«, sagt Dierk Hirschel, Bereichsleiter Wirtschaftspolitik bei ver.di. Wie es mit Großbritannien wirtschaftlich weiter geht, hänge von vielen unbekannten Faktoren ab – nationale Wirtschaftspolitik, Brexit-Verhandlungen, Wirtschaftsbeziehungen zu den USA. Eine seriöse Prognose sei deshalb nicht möglich.

Brexit als Folge der sozialen Spaltung

Ein zentraler Grund für das Brexit-Votum ist aus Hirschels Sicht die soziale Spaltung der britischen Gesellschaft. Sinkende Arbeitseinkommen und Renten sowie steigende Mieten verschlechterten das Leben von Millionen Briten. Die marktradikale Politik der EU-Kommission habe die soziale Spaltung immer weiter vertieft. »So lange Brüssel an seiner arbeitnehmerfeindlichen Politik festhält, ist nicht auszuschließen, dass nach Großbritannien weitere Staaten die EU verlassen werden.«

Zeitungspapier teurer

Tatsächlich erlebte Großbritannien nach der Entscheidung für den Brexit, den Ausstieg aus der EU, erst einmal einen kleinen Boom. Die Wirtschaft wuchs im vergangenen Herbst um 1,8 Prozent und damit stärker als in Deutschland. Grund für den kurzfristigen Wirtschaftsaufschwung in Großbritannien war vor allem die Abwertung des Pfunds: Wer britische Waren kaufen will, musste dafür weniger Euro ausgeben als vorher, was den Export aus England ankurbelte. Umgekehrt wurden Produkte aus Euro-Ländern für die Briten teurer. So erhöhten Zeitungspapierhersteller die Preise für Druckereien im Vereinigten Königreich, um den niedrigen Pfund-Kurs auszugleichen. Beim irischen Wellpappen- und Verpackungskonzern Smurfit Kappa schlugen sich die Währungsschwankungen bereits negativ in der Bilanz nieder.

Unsicherheit für EBR

Für Deutschland ist Großbritannien der drittwichtigste Handelspartner, besonders relevant ist das Land für die Auto- und Pharmaindustrie. Im Vergleich dazu dürften die Auswirkungen für die hiesige Druckindustrie und Papierverarbeitung geringer ausfallen. »In der Regel produzieren die Briten für den eigenen Markt und wir für den Euroraum«, berichtet Jens Krohn, Betriebsratsvorsitzender bei Prinovis Ahrensburg. Prinovis betreibt vier Tiefdruckstandorte – drei in Deutschland und einen in Liverpool. Als im vergangenen Jahr ein englischer Konkurrent dicht machte und eine Auftragsflut zu bewältigen war, übernahmen die Kollegen in Deutschland einen Teil der Arbeit. Doch in der Regel ist so etwas wegen des hohen Kostenanteils für die Logistik zu teuer. Völlig ungewiss ist, was das alles für den Europäischen Betriebsrat des Unternehmens bedeutet. »Unsere englischen Kollegen haben gegen den Brexit gestimmt, aber es ist, wie es ist. Jetzt herrscht erst einmal Unsicherheit,« sagt Krohn.

Für den Verpackungshersteller DS Smith mit Sitz in London arbeiten weltweit 26.000 Beschäftigte, ein Großteil davon in unterschiedlichen EU-Ländern. Der Chef des Konzerns Miles Roberts sorgt sich, ob Fachkräfte künftig ohne Bürokratie von einem Standort zum anderen reisen können. Auch warnt er vor dem Verlust gemeinsamer Standards. Viele Kunden von DS Smith sind selbst multinationale Konzerne wie Unilever und Nestlé, die gleiche Produkte und eine einheitlichen Service für ihre verschiedenen Standorte wünschen.