Arbeitskampf kreativ
Beim Obermain-Tagblatt streiten »unbeugsame Gallier« für mehr Lohn und eine gute Lokalzeitung. Interview mit Ute Birner
DRUCK+PAPIER: Auf der Internet-Seite www.die-wertschaetzer.info beklagt der Kabarettist Mac Härder als König von Franken: »Mein Schreibervolk in Lichtenfels blutet aus.« Beim Warnstreik der Beschäftigten des Obermain-Tagblatts demonstrieren Gallier für Lohnerhöhungen und reichen Zaubertrank. Was hat es damit auf sich?
Ute Birner: Viele Kolleginnen und Kollegen beim Obermain-Tagblatt haben seit zehn Jahren keine Lohnerhöhung mehr erhalten – trotz Arbeitsverdichtung und guter Gewinne. Deshalb fanden wir es gerecht, einen Haustarifvertrag zu fordern. Vom Arbeitgeber gab es für die Verlagsangestellten gar kein Angebot und kein verhandelbares für die Redaktion. Das ist traurig. Unseren Arbeitskampf gestalten wir trotzdem augenzwinkernd.
Mit Asterix und Obelix?
Ja, die »unbeugsamen Gallier« passen zu uns. Haben wir mit unserem »Tagblättla« der übermächtigen Konkurrenz doch jahrzehntelang die Stirn geboten. Für unsere Leser gab es auf dem Lichtenfelser Marktplatz kostenlosen Zaubertrank und eine Fotobox. Hier konnten sich alle mit Asterix, Obelix und Co. fotografieren lassen und dann die Bilder auf Facebook hochladen (www.facebook.com/diewertschaetzer).
Ute Birner arbeitet beim Obermain-Tagblatt im oberfränkischen Lichtenfels im Anzeigen-Innendienst und engagiert sich als Betriebsrätin. Wie der Großteil der Belegschaft macht sie bei der Aktion »Die Wertschätzer« mit.
Die Gallier gingen auch auf Tour: zu Vereinen und Bürgermeistern. Sie haben schon über 1.750 Unterstützer-Unterschriften gesammelt und jetzt hoffen wir, auf Facebook bald mehr als 1.000 Likes zu haben.
Warum belasst ihr es nicht bei den streiküblichen Trillerpfeifen und Gewerkschaftsfahnen?
Damit allein kommen wir nicht weit. Wir sind ja nur noch eine kleine Schar. Seit wir 2012 von der Main-Post in Würzburg übernommen wurden, ist die Zahl der Beschäftigten von 56 auf jetzt noch 23 gesunken. Aber mit unseren Lesern – da sind wir viele. Denn es geht nicht nur um eine Gehaltserhöhung, sondern auch darum, die Stärken des Obermain-Tagblatts zu erhalten. Als eine verwurzelte Heimatzeitung. In jüngerer Vergangenheit wurden bereits zwei Außenstellen aufgegeben, den Lokalsport macht jetzt der Mitbewerber, die Lokalseiten werden im 120 Kilometer entfernten Würzburg gestaltet. Wir entfernen uns vom Leser.
Warum nennt ihr euch »Die Wertschätzer«?
Wir wollen unsere Leser und Kunden wertschätzen. Geschichten und Artikel schreiben, die ihr Leben und ihr Engagement spiegeln. Kritisch und fair sein, wenn es um die Kommunalpolitik geht. Ein wertschätzender Partner für unsere Kunden sein. Wir wollen uns im Team wertschätzen. Und natürlich wollen auch wir wertgeschätzt werden. Als Beschäftigte, die gute Arbeit leisten. Dazu gehört ein Tarifvertrag. Viele unserer Leser sagen uns jetzt während unseres Arbeitskampfs, dass sie unsere Arbeit schätzen. Das tut uns allen gut. Nur der Arbeitgeber, der macht das aus unserer Sicht leider nicht.
Wenn man sich die Fotos so anschaut, scheint euch der Streik viel Spaß zu machen.
Also ich finde, dass ein Arbeitskampf nie Spaß macht. Wir wären alle glücklicher, wenn wir ihn nicht führen müssten und uns gütlich einigen könnten. Was uns aber wichtig ist: Wir wollen nicht verbissen sein. Das passt nicht zu uns. Diese Art von Streik bereitet sicher mehr Freude, denn die Resonanz ist gewaltig! Ob Ringer-Legende oder Bürgermeister, ob Landrat oder Privatperson, ob Bauchtänzerin oder Sportverein – alle stimmen mit uns überein, dass gute Arbeit auch gutes Geld verdient und dass unser »Tagblättla« so lesernah bleiben soll. Und unser Team hat der Konflikt zusammengeschweißt, über alle Abteilungen hinweg. Das war nicht immer so.
Wie erklärt ihr euch die große Solidarität?
Viele sind in der gleichen Situation. Überall sollen immer weniger Beschäftigte immer mehr leisten. Die Arbeit und die Mitarbeiter selbst werden nicht mehr wertgeschätzt; bei der Jagd nach Profiten wird ihre Leistung vergessen. Zudem fühlen sich viele Leserinnen und Leser mit uns Zeitungsmachern seit Jahren, oft Jahrzehnten verbunden. Sie kennen die Stärken des Obermain-Tagblatts und sehen die ihnen vertrauten Mitarbeiter als wichtiges Kapital der Zeitung, nicht als auswechselbare Kegelfiguren.
Haben die Aktionen bei der Geschäftsleitung schon etwas bewirkt?
Offiziell wenig. Aber dass wir so eine breite Unterstützung erfahren, damit hatten sie nicht gerechnet. Eher mit einer Streikwache und Trillerpfeifen, denke ich. Leider gibt es noch kein Signal, dass sie an den Verhandlungstisch zurückzukehren wollen. Aber es gibt ja zum Glück noch die Öffentlichkeit. Wir waren selbst überwältigt von dem großen Zuspruch. Gemeinsam werden wir es packen. So funktioniert sie, die gute alte Demokratie. Und wir haben noch einige gute Ideen auf Lager.
Das Obermain Tagblatt
hat eine verkaufte Auflage von knapp 11.500 Exemplaren und wird hauptsächlich in Stadt und Landkreis Lichtenfels in Oberfranken gelesen. Die 1857 gegründete Lokalzeitung wurde 2012 von der Mediengruppe Main-Post in Würzburg übernommen. In den Tarifverhandlungen mit der MPO Medien GmbH, einem Tochterunternehmen der Main-Post, fordert ver.di einen Firmentarifvertrag auf dem Niveau der Tarifverträge für Angestellte in Bayerns Zeitungsverlagen.