Arbeit

Faszinierend 
und beängstigend

Die drupa 2016 ist vorbei. Was bleibt, sind eine Menge Eindrücke. Druck+Papier hat dazu Kollegen gefragt, die die größte Messe für Printmedien in Düsseldorf besucht haben, und Konrad Kehrl, der für uns ganz genau hingeschaut hat.

Jürgen Burek, 46, Drucker 
und Betriebsrat bei Mayer & Söhne in Aichach:

»Die drupa ist so riesig, dass man einige Tage bräuchte, um alles zu sehen. Ich war das erste Mal dort und dachte eigentlich, ich könnte mir die neuesten Zeitungsrotationen anschauen. Nix da. Die würden aus Kostengründen nicht präsentiert. Zum Teil ziehen die Hersteller regelrechte Shows ab. Wie bei Benny Landa, dem Erfinder des Nano-Drucks. Mich hätte mal die Qualität interessiert, aber die Bögen, die produziert werden, darf man gar nicht in die Hand nehmen. Der Digitaldruck beherrschte wirklich die ganze Messe. Wenn die Entwicklung so weitergeht, hat sich der Offset bald erledigt.«

Bruno Stiehle, 57, 
Drucker, Betriebsrat bei Ebner & Spiegel in Ulm:

»Fasziniert hat mich die Druckmaschine, die Heidelberger für den Akzidenz- und Verpackungsdruck vorgestellt hat. Autonomes Drucken, sagt die Firma dazu. Die Maschine macht alles selbständig, der Mensch ist nur noch da, um einen Prozess zu stoppen. ›Push to stop‹, nennt das Heidelberger. Von Druckern war auch nicht mehr die Rede, nur von einem Maschinenbediener. Der wird reduziert aufs Papier auspacken und Palette rausfahren. Ich finde das beängstigend; in einer schrumpfenden Branche bedeutet diese Optimierung der Abläufe weiteren Stellenabbau und das Verschwinden von Betrieben.«

Bernd Bolte, 61, Drucker und Betriebsrat beim 
Weser-Kurier in Bremen:

»Die technischen Sprünge, allein von der letzten zu dieser drupa, sind wirklich beachtlich. Zum Beispiel die Weiterverarbeitung von manroland. Damit ist es möglich, morgens Bücher, mittags Broschüren, nachts Zeitungen und zwischendrin womöglich Beilagen zu drucken. Noch ist der Digitaldruck für die Zeitungsproduktion uninteressant, weil er zu langsam ist. Aber wenn die Auflagen weiter sinken und die Produktionsgeschwindigkeit beim Digitaldruck steigt, kann man irgendwann auch 100.000 Zeitungsexemplare in wenigen Stunden drucken. Das betrifft dann auch uns.«

Interview mit Konrad Kehrl

DRUCK+PAPIER: Was hat dich am meisten beeindruckt?

Kehrl: Die weitere technische Entwicklung des Digitaldrucks. Der Computerhersteller Hewlett Packard war größter Aussteller und hat gezeigt, dass sich im Digitaldruck fast alles bedrucken lässt: von der dünnen Inmould-Folie, dabei wird Dekor auf Flaschen aufgeschmolzen, bis zu dicker Wellpappe oder Bällen. Und bei der Qualität ist der Digitaldruck vom Offsetdruck kaum mehr zu unterscheiden. Allerdings ist die Produktionsgeschwindigkeit noch zu langsam, um dem Offset echte Konkurrenz 
zu machen. Aber für kleine Auflagen ist er erste Wahl.

Ist Print 4.0 in Sicht?

Kommt darauf an, was man darunter versteht. Kein Maschinenhersteller möchte hinter diesem Hype zurückbleiben. Also hat jeder auch etwas zu Print 4.0 zu sagen. Oft steckt dahinter aber lediglich eine weitere Automatisierung. Die vernetzte, vollautomatische Druckfabrik, in der Maschinen untereinander Informationen austauschen und selbständig Jobs generieren, ist noch nicht in Sicht.

Konrad Kehrl hat Offsetdrucker gelernt und viele Jahre als Produktmanager bei Heidelberger Druck­maschinen gearbeitet. Heute ist er als Berater für umweltfreundliche Feuchtmittel im Offsetdruck tätig.


Wird die Druckindustrie mehr oder weniger Facharbeit brauchen?

Gerade weil der Digitaldruck so enorme Sprünge macht, werden sich Offsetdrucker darauf einstellen müssen, in den Digitaldruck zu wechseln. Die Hersteller werben zwar damit, dass Drucken künftig ohne Fachkräfte funktioniert. Aber gerade wegen der hohen Automation, der kompakten digitalen Technik und der hohen Druckgeschwindigkeiten wird es erst recht auf Druckexperten ankommen, die Druckqualität beurteilen können.

Druckindustrie – wohin geht die Reise?

Trends auf der Branchenmesse drupa zeigen die Zukunft. Doch nicht alle Ankündigungen werden Realität. Von Konrad Kehrl

Die vernetzte, vollautomatisch digital gesteuerte Druckfabrik, in der Maschinen und Geräte untereinander Informationen austauschen und sich damit von selbst auf neue Aufträge einstellen, ist noch nicht in Sicht. Das ist eine der Erkenntnisse, die Besucher der diesjährigen drupa gewinnen konnten. Die Messe hat zwar gezeigt, dass die Automatisierung der einzelnen Maschinen gewaltig fortschreitet. Zunehmend werden digital erstellte Auftrags- und Planungsdaten zur Einstellung von Maschinen und Abläufen genutzt. Noch ist sie aber nicht da, die »autonome Druckmaschine« oder der »autonome Sammelhefter«. Denn auf der drupa war deutlich zu sehen: Überall stehen gut ausgebildete Fachleute, die das einwandfreie Funktionieren der teuren Geräte und Maschinen sicherstellen.

Gehört die Zukunft dem Digitaldruck?

Noch deutlicher als 2016 dominierten auf dieser Messe die digitalen Druckverfahren. Augenscheinlich wurde dies dadurch, dass mit Hewlett-Packard (HP) aus dem Silicon Valley dieses Mal ein Computerhersteller der größter Aussteller war. HP präsentierte Drucksysteme für alles, was sich bedrucken lässt: von dünnster Inmould-Folie bis zur dicksten Wellpappe, von der Rolle über Bogendruck bis hin zum 3-D Druck. Der zweitgrößte Aussteller war zwar der traditionsreiche Druckmaschinenhersteller Heidelbergdruck, aber auch hier gab es viel Digitaldruck zu sehen. In fast allen der 19 Ausstellerhallen spielten digitale Druck- oder Verarbeitungstechniken eine Rolle. Besonders die vom israelischen Erfinder Benny Landa erworbenen Digitaldruck-Systeme von Indigo haben ihren festen Platz vor allem auch im Akzidenz-Druck gefunden.

Insbesondere Inkjet-Verfahren haben einen großen Sprung in Qualität und Leistungsfähigkeit gemacht. Viele Hersteller von Digitaldruck-Systemen bieten nicht nur eigene Maschinen an, sondern kooperieren auch mit traditionellen Druckmaschinenherstellern. So baut beispielsweise Fujifilm mit der »Jetpress 720S« eine A2-Digitaldruckmaschine, die bestechende Qualität liefert und deren Technologie nun auch in der Heidelberger »Primefire« verbaut ist: wasserbasierender Inkjet, aufgesetzt auf einer klassischen »Speedmaster XL 106« für den Verpackungsdruck. Auch Koenig & Bauer (KBA) und Xerox sind bei der Entwicklung einer industrietauglichen digitalen Bogendruckmaschine für den Faltschachtelmarkt eine Partnerschaft eingegangen. Und die Digitaldruck-Systeme von Konica-Minolta werden vom japanischen Druckmaschinenhersteller Komori gelabelt.

Der Digitaldruck wird den Markt der kleinen Auflagen beherrschen. Die Qualität ist den anderen Druckverfahren meist ebenbürtig – falls er von qualifizierten Beschäftigten vorbereitet und kontrolliert wird. Viele gelernte Offsetdrucker werden sich darauf einstellen müssen, in den Digitaldruck zu wechseln, wenn sie nicht schon entsprechende Schwerpunkte in ihrer Ausbildung gesetzt haben.

Allerdings ist der Output noch vergleichsweise langsam: Im Bogendruck rechnen sich die Inkjetdruckmaschinen mit weniger als 3.000 Bogen pro Stunde eben nur bei Kleinauflagen. Auch im Rollendruck erreicht der Digitaldruck nur in etwa ein Drittel der Geschwindigkeiten, die beispielsweise im Rollenoffset erreicht werden. Aber in den kommenden Jahren besteht diesbezüglich sicher Potential nach oben.

Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer der drupa waren gespannt auf die Entwicklung des Nano-Drucks des Erfinders Benny Landa. Er lieferte zu seinem 70. Geburtstag erneut eine geniale Verkaufsschau ab. Dennoch waren fast alle enttäuscht: Die Druckqualität ist nach wie vor dürftig, so dass der Hersteller der Maschinenplattform Komori seine »Impremia NS« noch gar nicht verkauft. Bisher konnte Landa auch nicht belegen, warum dieses Verfahren kostengünstiger sein soll als der konkurrierende Digital- oder Offsetdruck. Und zur Frage der Gefährdungspotenziale durch Nanopartikel: Es stimmt doch sehr bedenklich, dass die Menschen, die Landas Maschinen nach Messeschluss reinigten, dem Deutschen Drucker zufolge Schutzanzüge tragen mussten.

Stirbt der Offsetdruck?

Für das immer wieder prophezeite Ende des Offsetdrucks gab es auf der drupa keine Hinweise. Im Gegenteil, auf der Düsseldorfer Messe präsentierte er sich quicklebendig. Die Umsatzzahlen der Hersteller werden in diesem Quartal gut ausfallen. Auffallend im Bogenoffset: Fast jeder Anbieter hatte Maschinen mit UV-Technologie auf dem Stand. Gerade hierzulande wird aber der Nutzen dieser Systeme sorgfältig abgewogen, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Gesundheitsgefährdung von UV-Farben kontra konventionellen Farb/ Lacksystemen.

Die Bogendruckhersteller konkurrieren schon seit längerem um den Titel des Weltmeisters in den Kategorien Fortdrucktempo, Rüstzeit und Produktivität. Beim Tempo kommt nicht mehr viel: Zwischen 16.000 und 20.000 Bogen pro Stunde. Die Hersteller haben in den vergangenen Jahren aber viel dafür getan, die Rüstzeiten zu verkürzen. Fast alle Vorgänge wie Druckplattenwechsel, Waschvorgänge und Formatwechsel sind voll automatisiert, die Farbgebung wird über Inlinemessung geregelt. Allerdings gibt es für das Farb-/Wasser-Gleichgewicht immer noch keine überzeugende automatisierte Lösung. Vor allem präsentierten die Maschinenproduzenten jeweils neue Leitstand-Generationen, die eine übersichtliche und dem Automatisierungsgrad entsprechende Steuerung ermöglichen.

Druckindustrie von morgen – Mehr oder weniger Facharbeit?

Die Maschinenhersteller sind mit Begriffen wie »One-touch-Technologie« oder »Touch to stop« unterwegs. Damit suggerieren sie, dass die Automation der Drucksysteme kein Eingriffe in den Druckprozess mehr nötig machen würden. Aber gerade die Automation, die kompakte digitale Technik und die hohen Druckgeschwindigkeiten werden künftig erst recht gut ausgebildete Fachkräfte nötig machen, die wissen, worauf es in puncto Druckqualität ankommt

Die Konkurrenz der verschiedenen Druckverfahren drückte sich auch im Gerangel um den nächsten drupa-Termin aus. Beschlossen war ja seit langem, die nächste Messe bereits 2019 stattfinden zu lassen. Hinter den Kulissen machten aber in der ersten Messewoche insbesondere Hersteller konventioneller Maschinen Druck: Sie würden aus Kostengründen auf einer drupa 2019 nicht mit teurer, »schwerer« Technik vertreten sein, das Intervall müsse bei vier Jahren bleiben. Am Ende gab die Messegesellschaft nach: Die nächste drupa wird erst am 23 Juni 2020 ihre Pforten öffnen.