Rechte und Rassismus

»Totschweigen ist keine Lösung«

Rechter Angriff auf Betriebsräte | Wie AfD & Co versuchen, in Unternehmen Fuß zu fassen | Noch sind rechte Listen eine Randerscheinung

Es war eine Art Putsch von rechtsaußen. Erst fand sich im Betriebsrat einer ostdeutschen Druckerei eine Mehrheit, die die Einstellung von Menschen mit türkisch klingenden Namen ablehnte – und das unverhohlen rassistisch begründete: »Ölaugen«, hieß es, »wollen wir hier nicht haben.« Dann nutzte es diese Mehrheit gezielt aus, wenn der Betriebsratsvorsitzende, ein ver.di-Mitglied, bei Sitzungen fehlte, um gegen Neueinstellungen oder Entfristungen von Kolleg*innen zu stimmen, die ihnen, wie sie sagten, nicht deutsch genug waren.

Nicht immun gegen rechte Hetze

Schließlich – nach der jüngsten Betriebsratswahl im Jahr 2018 – wurde der langjährige Vorsitzende aus dem Amt gejagt. Zwar hatte die ver.di-Liste die meisten Stimmen bekommen, doch die Vertreter*innen zweier unterlegener Listen schlossen sich zusammen, um den Spitzenkandidaten der zweitplatzierten Liste zum Betriebsratsvorsitzenden zu machen. »Diese Liste«, sagt der abgewählte Vorsitzende, »war eindeutig AfD-lastig.« Nicht unbedingt aus Mitgliedern der extrem rechten Partei bestehend, aber aus bekennenden Wähler*innen.

Mittlerweile halte sich die Betriebsratsmehrheit mit rechten Ausfällen zurück. Vielleicht, weil das Unternehmen den rassistischen Widerspruch gegen Personalentscheidungen ignoriert habe. Vielleicht weil der neue Betriebsratsvorsitzende mal vom Chef beiseitegenommen worden sei. Vielleicht aber auch nur, weil der größte AfD-Lautsprecher aus gesundheitlichen Gründen ausgeschieden sei. Dennoch – das zum Schutz der Beteiligten hier anonymisiert wiedergegebene Beispiel zeigt: So wenig wie Belegschaften immun sind gegen rechtes Gedankengut, so wenig sind es ihre gewählten Vertretungen.

Das wissen auch die AfD und das mit ihr verwobene Netzwerk aus rechten Organisationen und Denkfabriken. Zumindest auf dem Papier bestehen bereits drei verschiedene Arbeitnehmervereinigungen der AfD. Vor den Betriebsratswahlen 2018 rief eine Kampagne zur Gründung sogenannter alternativer Betriebsratslisten auf. Sie war vom Rechtsaußen-Förderverein »Ein Prozent« initiiert und unter anderem vom Magazin Compact und der »Identitären Bewegung« unterstützt worden, heute allesamt vom Verfassungsschutz beobachtet.

Den vollmundigen Ankündigungen, mit professionell produziertem Propagandamaterial unter die Leute gebracht, folgten dann allerdings nur sehr überschaubare Erfolge. Bundesweit gingen gerade einmal 19 Betriebsratsmandate an vorgeblich »patriotische« Gruppierungen in sieben Betrieben, fast durchweg aus der Automobilindustrie. Hinzu kommen noch rechtslastige Listen, die wie in der ostdeutschen Druckerei wohl eher unabhängig von der Kampagne entstanden.

»Was sie quantitativ erreicht haben, war wenig«, sagt Tim Ackermann vom DGB-Bildungswerk in Nordrhein-Westfalen, der sich seit Jahren mit der rechten Mobilmachung in den Betrieben auseinandersetzt. »Trotzdem ist das qualitativ eine neue Herausforderung für die Gewerkschaften.« Und auf keinen Fall zu unterschätzen.

Wegen Rassismus gekündigt

Ein Blick nach Stuttgart-Untertürkheim unterstreicht das. Im dortigen Daimler-Werk ist die Gruppierung »Zentrum Automobil«, angeführt von Oliver Hiburger, dem ehemaligen Gitarristen der Neonazi-Band »Noie Werte«, schon seit über zehn Jahren aktiv – und dank der Unterstützung aus dem rechten Netzwerk rund um die AfD mittlerweile erfolgreich: Bei den Wahlen 2018 konnte die formal unabhängige, aber AfD-nahe Liste rund 180 Kandidat*innen aufstellen und sechs Mandate gewinnen. Immerhin fast 14 Prozent der Stimmen entfielen auf die Liste, die vor allem mit Hetze gegen die IG Metall, aber auch mit einer aufwendigen Unterstützungskampagne auf sich aufmerksam gemacht hat. Unterstützt wurden zwei Daimler-Beschäftigte, die wegen rassistischen Mobbings gekündigt worden waren.

Nicht verharmlosen

»Wir müssen das ernst nehmen und offensiv dagegenhalten«, sagt ein antifaschistisch engagierter Gewerkschafter, der »Zentrum Automobil« aus der Nähe kennt. »Sonst kann aus der Randerscheinung, die rechte Betriebsratslisten heute noch sind, ganz schnell eine große Bedrohung werden.« Totschweigen, wie manche glauben, sei jedenfalls keine Lösung.