Rechte und Rassismus

Von wegen Partei der kleinen Leute

Rechtsextremismusforscher Professor Fabian Virchow: Rassismus und Nationalismus stehen bei der AfD im Vordergrund

DRUCK+PAPIER: Die AfD stellt sich gern als Partei der kleinen Leute dar oder gar als die neue Arbeiterpartei. Ist an dieser Selbstdarstellung etwas dran?

Virchow: Das hängt davon ab, was wir uns angucken. Bei den Abgeordneten, die die AfD in die Parlamente schickt, sind Arbeiterberufe unterrepräsentiert. Wie es bei den Mitgliedern aussieht, wissen wir nicht, weil es dazu keine unabhängigen Untersuchungen gibt. Und bei den Wähler*innen hängt es von den Bundesländern ab. In Sachsen und in Brandenburg beispielsweise hat zuletzt über ein Drittel der Arbeiter*innen die AfD gewählt. In Bremen oder Hamburg erzielte die Partei bei dieser Gruppe dagegen nur unterdurchschnittliche Ergebnisse.

Vertritt die Partei denn die Interessen der Beschäftigten?

Was von der AfD regelmäßig in den Vordergrund gestellt wird, wenn sie sich entsprechend darstellen will, ist die Forderung, den Mindestlohn beizubehalten. Das steht im Grundsatzprogramm, nachdem die Partei das zunächst lange abgelehnt hat. Gleichzeitig wird zum Beispiel in Sachsen und in Brandenburg gefordert, die Arbeitgeber von der Dokumentationspflicht beim Mindestlohn zu entlasten. Das ist schon ein bisschen widersprüchlich, weil dann nicht mehr kontrolliert werden könnte, ob der Mindestlohn tatsächlich gezahlt wird.

Fabian Virchow ist Professor für Politikwissenschaft an der Fachhochschule Düsseldorf und leitet dort den Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus. Er ist Vertrauensdozent der HansBöckler-Stiftung.

Auch in vielen anderen Bereichen, etwa in der Rentenpolitik, sind die Positionen der AfD sehr widersprüchlich – und ein Sonderparteitag zum Thema Sozialpolitik, der da eigentlich für Klarheit sorgen sollte, wurde immer wieder verschoben.

Wie sieht die parlamentarische Praxis aus?

Es hat sich immer wieder gezeigt, dass die AfD Menschen mit niedrigen Einkommen ausdrücklich benachteiligen möchte. Das entspricht einer stark marktliberalen Ausrichtung der Partei. So wurde im Berliner Abgeordnetenhaus beispielsweise gefordert, dass das Schülerticket nicht weiter finanziert und das kostenlose Mittagessen an den Schulen gestrichen wird. In Niedersachsen wurden Etatkürzungen bei Bildung und Kinderbetreuung gefordert.

Warum wählen trotzdem vergleichsweise viele Arbeiter*innen die AfD? Selbst unter Gewerkschaftsmitgliedern schneidet die Partei oft überdurchschnittlich gut ab.

Die AfD setzt zur Mobilisierung vor allem auf Rassismus und Nationalismus. Das spricht auch Arbeiter*innen an und überdeckt, dass die AfD gegenüber Niedrigverdienenden feindlich gesinnt ist. Zugleich glauben viele Wähler*innen, dass sich die von der AfD versprochene Bevorzugung von Deutschen gegenüber Zugewanderten letztendlich auszahlen wird. Und drittens verfängt eine Argumentation, die ich Produktivismus nenne: Nur wer in die Sozialkassen eingezahlt hat, soll auch etwas davon haben. Das lässt sich gegen Langzeitarbeitslose richten, aber auch gegen Roma und gegen Geflüchtete.

Mit AidA (Arbeitnehmer in der AfD), ALARM (Alternativer Arbeitnehmerverband Mitteldeutschland) und AVA (Alternative Vereinigung der Arbeitnehmer) bestehen in der AfD gleich drei Beschäftigtenorganisationen. Welche Bedeutung haben sie?

Das waren Versuche, das Profil als angebliche Partei der Beschäftigten zu schärfen. De facto spielen sie jedoch keine Rolle. Es gibt einzelne Vertreter*innen, die sich mal zu Wort melden. Aber die Vereinigungen existieren im Grunde nur auf dem Papier.