Unterwegs zu

Unterwegs zur
 Azubi-Beraterin

Schlechte Bezahlung, keine Ausbilder, massig Überstunden: Constanze Lindemann unterstützt Auszubildende in Berlin mit Tipps und Wissen.

Wenn Constanze Lindemann die sechs Stufen der Ernst-Litfaß-
Schule in Berlin-Wittenau hochsteigt, weiß sie nie genau, was sie erwartet. Am Schwarzen Brett der Schule steht: »Fragen? Probleme? Lösungen!« Das ist Lindemanns Revier: Einmal im Monat, dienstags ab 11 Uhr, berät sie im Foyer des Oberstufenzentrums für Mediengestaltung und Medientechnologie Auszubildende zu ihren Rechten. Das Einzugsgebiet ist groß – die Schüler*innen kommen aus Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern für den Blockunterricht angereist.

Azubis sollten Handys vertickern

»Wir in der Beratung sind eine kleine Station auf dem beruflichen Lebensweg und können Einschätzungen und Tipps mitgeben«, sagt Lindemann. »Die Schüler und Schülerinnen wissen, dass sie die Branche immer wieder mit schlechten Bedingungen und harten Umbrüchen konfrontiert.« Trotzdem falle manchen Azubis »die Kinnlade herunter«, wenn sie erfahren, was ihnen finanziell zusteht oder welche Ausbildungsinhalte eigentlich beigebracht werden sollten. »Es gibt Betriebe, in denen die künftigen Mediengestalter*innen nur mit einem Programm arbeiten.« Dann rät sie meist, mit den Ausbilder*innen zu sprechen und das Berichtsheft gründlich zu führen, um bei der Prüfung wenigstens die fehlende Qualität der Ausbildung nachweisen zu können.

Constanze Lindemann, 71, ist studierte Historikerin, war Offsetdruckerin und selbst Betriebsrätin. Die Probleme der Branche kennt sie: Immer mehr Kleinbetriebe, oft mehr Azubis als Ausgelernte, keine Betriebsräte, miserable Vergütungen von manchmal nur 300 Euro im Monat – all das bekommt sie seit mittlerweile fünf Jahren von den Auszubildenden in der Ernst-Litfaß-Schule geschildert.

Bevor Lindemann zusammen mit einem Kollegen den Stand im Foyer aufbaut, geht sie in der dritten Stunde durch die Klassenräume und erinnert daran, dass heute Beratungstag ist. Das fünfköpfige Beratungsteam aus Drucker*innen, Betriebsrät*innen und Gewerkschaftssekretär*innen tauscht sich immer über die Fälle aus, damit alle auf einem Stand sind.

Zwei Fälle sind Lindemann besonders in Erinnerung: Eine Auszubildende war als Elternzeitvertretung eingestellt und bekam die Kündigung, als die Kollegin in den Betrieb zurückkehrte. »Das braucht man sich natürlich nicht gefallen zu lassen, aber während der Ausbildung seine Rechte durchzusetzen, ist nicht leicht.« Bei solch »schweren Fällen« gibt sie auch mal ihre private Telefonnummer mit, also wenn der Ausbildungsbetrieb gewechselt werden muss oder eine Klage vor dem Arbeitsgericht fällig wird. Von fünf künftigen Mediengestalter*innen erfuhr sie, dass die neben ihrer Ausbildung Handys verkaufen sollten. »Mit der Sozialarbeiterin der Schule und unserem Rechtssekretär haben wir daraufhin eine Klage vorbereitet und neue Ausbildungsbetriebe gesucht und gefunden.«