Aus den Betrieben

Ein Ungenügend fürs Management

Missmanagement und Defizite führten Bosch-Druck in die Insolvenz | Die Hälfte der Belegschaft wird entlassen | Hinter dem neuen Besitzer steckt ein Finanzinvestor

Die Beschäftigten sind wütend. Auf alle, die Bosch-Druck in die Insolvenz getrieben haben. Auf jeden, der sich mal als Geschäftsführer ausprobierte, scheiterte und mit vollen Taschen ging. Auf die Stark-Gruppe, der es seit dem Kauf von Bosch-Druck vor drei Jahren nicht gelang, die Druckerei zu stabilisieren und von heute auf morgen von Bosch-Druck verlangte, einen Kredit zu bezahlen. Das machte die Druckerei zahlungsunfähig.

Einer blieb übrig

Seit November folgte eine schlechte Nachricht nach der anderen. Im November hatte Bosch-Druck beim Amtsgericht Landshut Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt. Dann hieß es, die Stark-Gruppe will Bosch-Druck nicht sanieren, sondern loswerden. Ein Investor nach dem anderen besuchte die Firma im niederbayerischen Ergolding und schaute in die Bücher. Schnell musste es jetzt gehen. Sollte sich kein Käufer finden, wäre das Insolvenzgeld aufgebraucht. Dann wäre Schluss. Dann wäre Bosch-Druck Geschichte. Mitte Januar war klar: Einer blieb übrig. Der Interessent will kaufen – aber nur, wenn die Zahl der Beschäftigten von 186 auf 106 schrumpft.

Sie sind wütend. Und unruhig. Bin ich dabei? Bin ich auf der Liste? Verliere ich meinen Arbeitsplatz?

Die Belegschaft fragt sich, wie es so weit kommen konnte. Was ist passiert, dass ein Betrieb, der gut dastand und in der Branche einen guten Ruf genießt, wie ein Ladenhüter gehandelt wird. Ein Betrieb, der über relativ hohes Eigenkapital verfügte, als kreditwürdig galt und unabhängig von externen Geldgebern war. Doch innerhalb von drei Jahren war die Eigenkapitalquote tief gesunken und die Druckerei hatte Schulden angehäuft.

Gute Fachkräfte

In der Akzidenzdruckerei werden Bordbücher für die Autoindustrie, Broschüren und Flyer produziert sowie Fotobücher, Grußkarten und Kalender für Portale. Klassischer Bogenoffsetdruck ist genauso möglich wie ein personalisiertes Fotobuch im Digitaldruck. Und auch Just-in-Se
quence-Belieferung, also Bordbuchmappen exakt in der Reihenfolge zu produzieren und auszuliefern, wie die Autos vom Band gehen. Doch die Umsätze sind niedrig und die Kosten hoch.

An der Belegschaft liegt es nicht. Verlässliche, motivierte, gute Fachkräfte. So ähnlich habe es eine Schweizer Unternehmensberatung in einer kurzen Analyse formuliert, erzählt Pascal Attenkofer von ver.di. Ganz anders die Beurteilung des Managements. Auffallend oft soll von Defiziten die Rede sein. Defizite bei der Führung, Defizite bei der Kommunikation, Defizite bei der Unternehmenssteuerung. Ein strategisches Ziel? Fehlanzeige. Schlechter könnte die Beurteilung der Führungsetage nicht ausfallen.

Vor die Wand gefahren

Der Betriebsrat sorgt sich schon lange. Der Offset- habe den Digitaldruck mit
finanzieren müssen. Aufträge seien vom Offsetdruck in den Digitaldruck geschoben worden – zulasten der Qualität und auf Kosten der Wirtschaftlichkeit. Während der Digitaldruck samt Klimatisierung Millionen verschlang, sei in den Offset nicht mehr investiert worden. »Nicht mal ein Hubwagen wurde mehr angeschafft«, sagt Betriebsratsvorsitzender Michael Bräu. Auf dem Weg zur führenden Digitaldruckerei hat die Bosch-Druck-Führungsriege den Betrieb an die Wand gefahren.

Alle Bemühungen von ver.di und dem Betriebsrat liefen ins Leere. Die Stark-Gruppe, zu der Bosch-Druck über ihre Tochterfirma Blue Lane gehört, hat sich geweigert, über einen Tarifvertrag zu verhandeln. »Nach einem Treffen zeigte Stark-Druck kein Interesse mehr«, sagt Pascal Attenkofer von ver.di. Stattdessen wollte das Management Geld von der Belegschaft. »Wir sollten auf Urlaubsgeld und die Jahresleistung verzichten«, sagt Betriebsratsvorsitzender Michael Bräu. Doch der Betriebsrat lässt sich lediglich darauf ein, dass das Weihnachtsgeld drei Monate später ausgezahlt werden darf. Dazu sollte es nicht mehr kommen. »Eine Woche nach der Betriebsvereinbarung kam die Insolvenz.«

Kaputtgemacht

Für drei Monate erhält die Belegschaft Insolvenzgeld von der Agentur für Arbeit. Ob allerdings die Stunden aus den Arbeitszeitkonten, insgesamt 11.000, und der Anteil für zehn Monate aus der Jahresleistung bezahlt werden, ist nicht klar. Die Insolvenz und ihre Folgen hinterlassen Spuren bei der selbstbewussten, gut organisierten Belegschaft. Sie war bei Streiks immer dabei. Die ersten Kollegen haben schon das Weite gesucht, zwei Großkunden auch. Sozialplan, Interessenausgleich, Entlassungen. Hinter der neuen Firma steckt der Finanzinvestor Lenbach Capital.

»Besitzer und Manager haben Bosch-Druck kaputtgemacht«, sagt Pascal Attenkofer von ver.di. »Das tut mir in der Seele weh.«

Nicht nur gute Fachkräfte, sondern auch eine widerständige Belegschaft, hier beim Streik 2016. Foto: Phillip Klaus

Der Bock als Gärtner

Insolvenz in Eigenverwaltung ist unter Fachleuten umstritten | 
Alte Geschäftsführung weiter am Ruder

Wenn ein Betrieb pleite ist, liest man immer mal wieder, dass er »in Insolvenz in Eigenverwaltung« geht. So auch bei Bosch-Druck in Ergolding. Bei der Insolvenz in Eigenverwaltung handelt es sich um eine Sonderregelung. Der große Unterschied zur Regelinsolvenz ist, dass die alte Geschäftsführung weiterhin das 
Sagen hat und sich selbst um die Sanierung kümmert. Sie wird lediglich durch einen vorläufigen Sachwalter überwacht, den die Eigentümer auswählen. Während bei der Regelinsolvenz das Insolvenzgericht über den Insolvenzverwalter entscheidet.

Die Idee: Wenn ein Unternehmen ins Schleudern gekommen ist, weil unerwartet Umsätze zurückgingen oder Lieferanten nicht zahlten, soll es möglich sein, das Unternehmen zu sanieren und weiterzuführen. Eine zweite Chance. Die Vorteile: Geschäftskontakte gehen nicht verloren, Kenntnisse und Know-how bleiben erhalten und die alte Geschäftsführung wird nicht verdrängt. Während der Insolvenz wird das Unternehmen auch finanziell entlastet: Löhne, Umsatzsteuer, Miet- und Leasingraten – all das entfällt.

Oft wird die Sonderregelung allerdings nicht angewandt: 1.600 Verfahren innerhalb von fünf Jahren, das macht lediglich einen Anteil von 3,5 Prozent an allen Insolvenzverfahren in Deutschland aus. Unter Jurist*innen ist die Insolvenz in Eigenverwaltung umstritten. Etwa 75 Prozent der Insolvenzen seien auf Managementfehler zurückzuführen. Hier werde der Bock zum Gärtner gemacht, monierte der Verband der Insolvenzverwalter.