Madsack feiert sich selbst
Im Hintergrund zerstückelt der Verlag Firmen in kleine, tariflose Einheiten, streicht Stellen und schließt Druckereien
Die Madsack-Geschäftsführung ist »besonders forsch«, wenn es darum geht, Kosten zu minimieren und neue Geschäftsfelder abseits des Zeitungsgeschäfts zu erschließen. So lautet das Fazit des Medienwissenschaftlers Horst Röper vom Formatt-Institut in Dortmund. Madsack lässt Filmchen drehen, betreibt eine Plattform für Radiosender, verkauft Eintrittskarten für Bundesligaspiele und wird in diesem Jahr mehr als 200 Millionen Briefe von schlecht bezahlten Zustellern und Zustellerinnen ausliefern lassen.
Die Zentralisierer
Besonders »forsch« legt die Madsack-Spitze los, wenn es um die Durchrationalisierung des Konzerns geht. So schloss die Mediengruppe in den vergangenen beiden Jahren Druckereien in Göttingen und Hannover. Das Aushängeschild der Gruppe, die Hannoversche Allgemeine Zeitung, wird seither extern gedruckt.
Madsack gehört mit einem jährlichen Umsatz von über 650 Millionen Euro zu den fünf größten Zeitungsverlagen in Deutschland. Vor fünf Jahren startete die Mediengruppe unter dem frisch berufenen Vorsitzenden Thomas Düffert dann durch. Mit dem Programm »Madsack 2018« sollte der Konzern fit fürs Internet werden. Stellen wurden gestrichen, Personalkosten gesenkt.
Durchlitten hat die Umsetzung des Programms Detlef Schütz, bis vor kurzem Konzernbetriebsratsvorsitzender. »Zentralisierung, Zentralisierung, Zentralisierung – das ist die Strategie der Konzerngeschäftsleitung.« Dazu werde an vielen Rädchen gedreht.
Typisches Beispiel: die Schließung der eigenen Druckerei in Hannover. Etwa 170 Drucker, Fachhelfer und Angestellte verloren ihren festen, nach Tarif bezahlten Job, ebenso Studierende und Hilfskräfte. »Keiner hat mehr Arbeit in einer anderen Druckerei im Umfeld gefunden.« Ziel von Madsack war, sich damit der Tarifbindung zu entziehen. Nun werden Madsack-Blätter von der Firma Oppermann in Rodenberg gedruckt. Tariflos. Gleichzeitig wurden Zeitungen vom Nordischen auf das kleinere, Rheinische Format umgestellt. Dadurch werden weniger Farbe und Papier verbraucht, die Materialkosten für den Druck gesenkt.
Ein anderes typisches Rädchen, an dem Madsack-Manager gerne drehen, ist die Unter-Besetzung der Druckmaschinen. Wo vorher vier Menschen arbeiteten, sollen plötzlich drei oder gar zwei ausreichen, erzählt Schütz. Nur so könne die Druckerei überleben, lautet die Begründung der Firmenleitung.
Nur manchmal setzen die Zentralisierer aus Hannover auf Dezentralisierung. Wenn allein mit dem örtlichen Betriebsrat verhandelt wird, intern, hinter verschlossenen Türen. Der Konzernbetriebsrat wird außen vor gelassen und vor vollendete Tatsachen gestellt.
Als typisch sieht Schütz auch das Vorgehen in der jüngsten Tarifauseinandersetzung an. Als die Tageszeitungsredakteure und Redakteurinnen der Rostocker Zeitung im April streikten, unterstützten sie die Kolleginnen und Kollegen in der Druckerei mit einem Soli-Streik. Madsack ließ die Zeitung daraufhin in der hauseigenen Druckerei in Lübeck fertigstellen – mit einer viel zu kleinen Notbesetzung. »Nachdem man zwei Schichtführer gewaltig unter Druck gesetzt hatte.«
Weiter: Konzernintern werden Aufträge möglichst in den Osten vergeben, etwa nach Potsdam – hier gilt die 38-Stunden-Woche. Was zumindest buchhalterisch die Kosten für einen Druckauftrag senkt. Rostock, Lübeck und Kiel sind teurer, weil die Arbeitswoche in der Produktion lediglich 35 Stunden beträgt.
Wem Madsack gehört
Fast die Hälfte der Anteile an der Madsack-Mediengruppe besitzen die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (23 Prozent) – das Medienunternehmen der SPD – und die in der Schweiz lebende Autorin und Übersetzerin Sylvia Madsack, Enkelin des Gründers (21 Prozent).
Immer mehr tariflos
Eine Reihe von Dachunternehmen der Madsack-Gruppe mit insgesamt 4.000 Beschäftigten ist noch tarifgebunden. Doch unter den Dächern sammeln sich immer mehr tariflose Teile. »Madsack zerstückelt die Firmen in immer kleinere Einheiten«, beobachtet Schütz. Bis auf unter 20 Beschäftigte oder gar fünf. Eine Interessenvertretung ist dann nur noch eingeschränkt möglich.
Personalchef Adrian Schimpf will das Programm »Madsack 2018« nicht auf Personalabbau reduziert wissen. Maßnahmen, die man sich 2013 vorgenommen hatte, seien nun erfolgreich abgearbeitet, zitiert ihn der Online-Mediendienst Kress. »Jetzt widmen wir in Verlag und Redaktion alle Kraft der digitalen Transformation.«
Print als Abfallprodukt
Im Mittelpunkt steht dabei das »RND-Digital Hub«. RND steht für Redaktionsnetzwerk Deutschland – die Zentralredaktion von Madsack in Hannover, die Inhalte für die eigenen Blätter und für fremde erstellt. »RND Digital Hub« wiederum produziert für die digitalen Kanäle. 70 Stellen sind geplant. Darunter rund 30, die in Lübeck, Rostock, Leipzig und Potsdam gestrichen werden. Kündigungen nicht ausgeschlossen. Weil Madsack die Betriebsräte erst kurz vor Veröffentlichung von der Umstrukturierung informierte, haben die beiden Journalistenorganisationen dju in ver.di und der Deutsche Journalisten-Verband sowie die Betriebsräte den Verlag angezeigt. »Wer Betriebsräte übergeht, missachtet Rechte aus dem Betriebsverfassungsgesetz und das nehmen wir nicht hin«, sagt Rachel Marquardt, Konzernbetreuerin bei ver.di.
Konzernbetriebsratsmitglied Karin Wagner kritisiert die »extrem starke Zentralisierung«, weil sie auf Kosten der lokalen Berichterstattung und damit der Attraktivität der gedruckten Zeitungen gehe. Diese seien nach wie vor die Aushängeschilder des Verlages, um Kunden zu binden.
Zur Madsack-Gruppe gehören heute 15 Tageszeitungen und 28 Anzeigenblätter. Täglich werden laut Firmenangaben rund 800.000 Zeitungen mit 2,5 Millionen Lesern verkauft und monatlich 5 Millionen Besuche auf der Website und über mobile Endgeräte erreicht. Letzteres reicht allerdings nicht für einen Platz unter den Top Ten der deutschen Verlage im Internet. »Online trägt sich nicht«, warnt der Medienfachmann Gert Hautsch.
Die Folgen der digitalen Zentralisierung bekommt der Printbereich zu spüren: »Das gedruckte Papier ist im Grunde nur noch ein Abfallprodukt«, kritisiert Karin Wagner, Konzernbetriebsratsmitglied und Betriebsratsvorsitzende bei der Märkischen Verlags- und Druck-Gesellschaft (Märkische Allgemeine) in Potsdam. In »schwere Technik«, wie beispielsweise neue Druckmaschinen, werde darum von Madsack praktisch kein Geld mehr investiert. »Der Druck soll so wenig wie irgend möglich kosten.«