Arbeit

Wenn der Nachwuchs ausbleibt

Zahl der Drucker-Azubis halbiert / Überalterung in Betrieben / bvdm macht Tarifvertrag verantwortlich

»Such dir besser was anderes. Ich kann dir nicht raten, Drucker zu werden.« Das schreibt »Acid Green«, von Beruf Druck­ingenieur, in einem Internetforum für Offsetdrucker. Man verdiene immer weniger, mit jeder neuen Maschine würden Fachleute überflüssig. Druckereien unterböten sich so lange, bis wieder ein Betrieb Pleite mache.

Die Nachrichten von der kriselnden Druckindustrie landen auch bei den jungen Leuten, die einen Ausbildungsplatz suchen. Und bei Berufsberater/innen, die eher ab- als zuraten. Ein Teufelskreis: Weniger Jugendliche wollen den Beruf lernen und weniger Betriebe bilden aus. Schon jetzt fehlen ­Drucker.

Der Medienstandort Hamburg hat keine einzige Berufsschulklasse mehr für Medientechnolog/innen Druck. Die fünf oder sechs Azubis pro Ausbildungsjahr fahren nach Neumünster in Schleswig-Holstein. Dort gab es früher drei Berufsschulklassen, heute ist es nur noch eine. In der lernen alle zusammen Sieb- und Zeitungsdruck, Tief-, Verpackungs- und Rollenoffsetdruck.

Frisches Wissen fehlt

Tatsächlich hat sich die Zahl der Drucker- Azubis innerhalb von 15 Jahren mehr als halbiert. Im Jahr 2000 unterschrieben noch 1.701 junge Leute ihren Ausbildungsvertrag als Drucker/in, 2015 nur noch 764.

Kommen keine Jungen nach, steigt das Durchschnittsalter. In manch einem Drucksaal liegt der Schnitt bei über 50 Jahren. Jetzt sind es allein die Alten, die sich durch Früh-, Spät- und Nachtschichten kämpfen. Werden keine jungen Leute ausgebildet, fehlt es an frischem Wissen. »Die Entwicklungsabteilung eines Betriebes steckt in den Köpfen der Facharbeiter«, sagt Siegbert Schwab, früher Drucker und heute Berufsschullehrer an der Walter-Lehmkuhl-Schule in Neumünster. Kleine und mittlere Betriebe ohne Forschung und Entwicklung brauchen den Sachverstand der Fachkräfte.

Doch von denen gibt es immer weniger. Besonders tariflosen Betrieben gehen die Drucker und die Drucker-Azubis aus. Das hält Paul Albert Deimel, Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes bvdm, allerdings für eine gewagte These. Er sagt, dass in der gesamten Wirtschaft die Zahl der offenen Stellen steige, damit auch in der Druckindustrie, unabhängig von der Tarifbindung.

Andere Branchen zahlen mehr

Doch nicht nur Drucker werden gesucht. Auch tarifgebundene Betriebe haben Probleme, Mechatroniker, Elektroniker oder Haustechniker zu finden. Die arbeiten lieber in der Chemie- oder Metall- und Elektroindustrie. Dort verdienen sie mehr.

»ver.di hat immer davor gewarnt, dass wir gute Leute an andere Branchen verlieren«, sagt Andreas Fröhlich. »Jetzt rächt es sich, dass sich der bvdm über Jahre hinweg bei allen Lohntarifrunden als Bremser hervorgetan hat.« Die Druckindustrie habe ihre einstige Spitzenposition bei den Löhnen und Arbeitsbedingungen verloren.

Die Hauptursache sieht bvdm-Hauptgeschäftsführer Deimel allerdings in Tarifverträgen, die die finanziellen Möglichkeiten der Betriebe überfordert hätten: zu hohe Zuschläge, zu kurze Wochenarbeitszeiten, zu hohe Löhne. Wenn Betriebe nun aber Drucker suchten, sei das doch eine positive Entwicklung: Der Wert der Arbeit steige, der Drucker könne Gehaltswünsche äußern, die Druckereien müssten mehr zahlen. Auch das sei Markt, so Deimel.

Die Realität ist: Tariflose Druckereien bieten weiterhin Stundenlöhne unter Tarif. Die Stellen werden nicht besetzt. »Jahrelang haben die Arbeitgeber so getan, als könnte hochmoderne Technik die Facharbeit ersetzen. Jetzt drohen uns die Fachkräfte wegzulaufen. Zeit, dass wir sie mit guten Löhnen und guten Arbeitsbedingungen halten«, sagt Andreas Fröhlich von ver.di. Die Azubis von Berufsschullehrer Siegbert Schwab lernen den Beruf gern. Aber unter Wert, sagen sie, wollen sie sich nicht verkaufen.