Mein Standpunkt

Warum scheuen Beschäftigte davor zurück, einen Betriebsrat zu gründen?

 Daniele Lupo ist ver.di-Sekretär für die Druck- und Papierindustrie im Allgäu.

»Nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft haben nur noch sieben Prozent der Betriebe in Deutschland einen Betriebsrat. Auch in der Druckindustrie werden kämpferische Betriebsräte, wie sie früher die Regel waren, immer seltener. In manchen Fällen liegt das an Einschüchterung durch den Chef. Da werden Wahleinleitungsverfahren behindert, obwohl das strafbar ist. Oder es wird Beschäftigten, die sich für die Gründung eines Betriebsrats starkmachen, ein dickes Kuvert hingelegt: ein Aufhebungsvertrag mit (satter) Abfindung. Nach dem Motto: Geld spielt keine Rolle. Hauptsache, der vermeintliche Störenfried ist raus.

Häufiger erlebe ich aber etwas anderes. Kolleg*innen sehen einen Berg an Missständen in ihrem Betrieb, 48-Stunden-Wochen, täglich wechselnde Arbeitszeiten, Ein-Tages-Arbeitsverträge. Und sie finden: Eigentlich müssten wir hier einen Betriebsrat gründen. Doch weil sie sich selbst nicht aufreiben wollen, suchen sie sich lieber einen anderen Job – in der Metallindustrie, im öffentlichen Dienst oder bei uns im Allgäu auch mal in einer Käserei. Auch weil sie dort, anders als in vielen Druckereien, nach Tarif bezahlt werden. Die, die bleiben, sind oft erst vor Kurzem nach Deutschland gekommen und haben Angst, ihren Job durch Engagement für einen Betriebsrat aufs Spiel zu setzen.

Es gibt natürlich viele gute Betriebsratsgremien; andersherum gibt es allerdings leider auch Betriebsräte, die faktisch keine sind. Die ihre Rechte nicht kennen und nur tagen, wenn der Arbeitgeber ihre Zustimmung braucht. Bei ver.di im Allgäu wollen wir deshalb jetzt verstärkt auch Social Media nutzen, um zu erklären, was Mitbestimmung überhaupt bedeutet und wie sie funktioniert. Dass es nämlich darum geht, Ausbeutung oder prekäre Arbeitsbedingungen zu verhindern.«