Was hältst du davon, länger zu arbeiten?
Yannik Wüstehube ist Drucker und Betriebsrat bei Mohn Media in Gütersloh.
Foto: Stephanie Becker
»Um die wirtschaftliche Entwicklung anzukurbeln, sollen die Beschäftigten in Deutschland mehr und länger arbeiten. So steht es jedenfalls in der ›Wachstumsinitiative‹, die die Bundesregierung kürzlich präsentiert hat. Zum Beispiel soll das Arbeitszeitgesetz geändert werden. Bislang schreibt es ja vor, dass acht Stunden pro Tag die Regel und nur ausnahmsweise bis zu zehn Stunden erlaubt sind. Diese Tageshöchstarbeitszeit möchten die Arbeitgeber schon lange kippen. Jetzt will die Bundesregierung das ermöglichen, allerdings nur auf Grundlage von Tarifverträgen. Hoffentlich macht das keine Gewerkschaft mit.
Ich verstehe nicht, wie man angesichts von alarmierenden Burn-out-Statistiken und den hohen Krankenständen, die wir in den Unternehmen haben, auf so eine Idee kommen kann. Die Arbeit verdichtet sich immer mehr, wir haben die Debatte über die 4-Tage-Woche. Da die Arbeitszeit verlängern zu wollen – das ist doch paradox.
Und gegen den Fachkräftemangel hilft es bestimmt nicht. Die Fachkräfte gehen dorthin, wo ihnen attraktive Arbeitsbedingungen geboten werden. Dafür müssen die Unternehmen sorgen. Die Bundesregierung möchte außerdem finanzielle Anreize schaffen, damit Beschäftigte auch im Rentenalter noch weiterarbeiten. Das finde ich grundsätzlich gar nicht so schlecht – vorausgesetzt, die Menschen machen das dann wirklich freiwillig und nicht, weil wegen einer niedrigen Rente das Geld sonst nicht reicht. Das heißt: Erst einmal braucht es Löhne, die zu ausreichenden Renten führen. Aber auch sonst kommt es entscheidend auf die Arbeitsbedingungen an. Kolleg*innen, die täglich körperlich harte Arbeit leisten, sind oft schon mit Anfang 60 komplett platt. Wer 40 Jahre im Schichtdienst gearbeitet hat, wird das nicht weiter machen wollen.«