Medienkonzern

»Heute geht es der SPD nur noch ums Geld«

ddvg: Medienfirma der SPD – ein verschachtelter Konzern mit 123 Unternehmen | Besondere Merkmale sind Tarifflucht, Betriebsschließungen und Entlassungen

Der jüngste Schlag traf knapp 50 Beschäftigte von Küster Pressedruck in Bielefeld. Die ddvg, Medienfirma der SPD, hatte entschieden, die Druckerei der Neuen Westfälischen bis Ende März zu schließen. Gleiches widerfuhr den knapp 60 Beschäftigten (Werksvertragler eingeschlossen) der Druckerei der Lübecker Nachrichten. Auch dort kündigte die ddvg (Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft) an, den Betrieb zu schließen. Beide Druckereien sind tarifgebunden.

Nachdem in Bielefeld Betriebsrat und ver.di in ersten Verhandlungen erreicht hatten, dass die Schließung aufgeschoben wird, ließen sie von einem Wirtschaftsfachmann ein Alternativkonzept erarbeiten. Damit wäre die Druckerei zumindest bis 2026 gesichert gewesen.

Doch die Geschäftsleitung lehnte den Vorschlag ab, berichtet Betriebsratsvorsitzender Michael Bensiek. Stattdessen sei der Belegschaft ein »lächerliches Angebot« für Ausgleichszahlungen und Weiterbildung gemacht worden. Auf einer Sitzung der betrieblichen Tarifkommission Anfang März machten sich »Frust und Wut« breit. Der Tenor: »Wir lassen uns nicht so billig abspeisen!« Die Tarifkommission beschloss, einen Sozialtarifvertrag zu fordern. »Das kann auf einen Streik hinauslaufen«, sagt Daniel Hirschi, ver.di-Sekretär in Bielefeld.

Wechsel in tariflose Druckerei

Hirschi befürchtet, dass die ddvg schnell Fakten schaffen will, damit Auseinandersetzungen um die Druckereischließung nicht den Bundestagswahlkampf der SPD belasten. Die Neue Westfälische und Küster-Pressedruck sind im SPD-Wirtschaftsimperium die einzigen Unternehmen, die der ddvg zu 100 Prozent gehören. Neben der Neuen Westfälischen und der Lippischen Landeszeitung produziert Küster-Pressedruck auch das SPD-Mitgliedermagazin Vorwärts.

Klaus Schrotthofer, Geschäftsführer der Neuen Westfälischen, lange Zeit selbst Journalist und zeitweise Sprecher des damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau, wies den Vorwurf zurück, sich aus dem Tarif stehlen zu wollen. Er begründete die geplante Schließung damit, dass die Auflagen gedruckter Zeitungen unaufhörlich sänken. Schrotthofer stellte in Aussicht, das Geld, das die Auslagerung des Drucks spare, in digitale Projekte der Zeitung zu investieren. Die soll künftig in einer der tariflosen Druckereien in Osnabrück, Minden oder Rodenberg hergestellt werden.

Schrotthofer behauptet, eine tarifgebundene Druckerei sei in der näheren Umgebung nicht zu finden gewesen. Doch fast in Sichtweite liegt in Bielefeld-Sennestadt die Druckerei der örtlichen Konkurrenzzeitung Westfalen-Blatt. Zwar wechselte die Druckerei in die OT-Mitgliedschaft. Sie ist also weiterhin Mitglied im Unternehmerverband, hält aber keine Tarifverträge mehr ein. Zumindest die Altbeschäftigten behalten alle Ansprüche aus den Tarifverträgen. ver.di verhandelt zudem über die Fortgeltung des Tarifvertrages.

In einem offenen Brief haben sich ver.di-Betriebsgruppe und Betriebsrat der Neuen Westfälischen an sozialdemokratische Abgeordnete gewandt und auf einen drohenden Ansehensverlust durch die Tarifflucht hingewiesen. Eine Antwort gibt es bislang nicht.

Gegenüber DRUCK+PAPIER erklären die drei Bielefelder SPD-Landtagsabgeordneten und ihre Bundestagskollegin Wiebke Esdar in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass die Entscheidung, woanders drucken zu lassen, nichts mit der Tarifbindung zu tun habe. Ähnlich lautet auch die Antwort von Dietmar Nietan, Bundesschatzmeister der SPD. Er hält als deren Generaltreuhänder rund 90 Prozent der ddvg-Anteile. »Schmerzvoll« sei es gewesen, für die Sicherung der »digitalen Zukunft« der Neuen Westfälischen Küster-Pressedruck zu schließen. Alle betonen, dass über den neuen Druckort des Vorwärts noch nicht entschieden sei – offen ist also, ob das Mitgliedermagazin der SPD, die ansonsten immer für mehr Tarifbindung streitet, demnächst aus einer tariflosen Druckerei kommen wird.

»Parteischädigend«

»Immer wenn es in den Verlagen zu Entlassungen kommt«, sagt Horst Röper, Medienforscher und Zeitungsfachmann aus Dortmund, »ist das schlecht für das Image der Partei.« Denn in den betroffenen Betrieben sähen die Betriebsräte nicht eine anonyme ddvg am Werk, sondern gäben der SPD die Schuld. Röper hält der Partei vor, den Zeitpunkt verpasst zu haben, ihre Medienfirma zu einem guten Preis zu verkaufen. Aber das sei im Parteivorstand nicht mehrheitsfähig gewesen. Heute gehe es der SPD nur noch ums Geld. »Das ist parteischädigend!«

Die Erträge der ddvg müssen dazu beitragen, die SPD zu finanzieren. Die Gewinne sollen ausgleichen, was der SPD an Spenden fehlt. So verbuchte die CDU/CSU im vergangenen Jahr 1,44 Millionen Euro als Großspenden; aktuell erhielten die Bündnisgrünen eine halbe Million eines Pharmaerben, während die SPD seit 2020 bislang leer ausging. 5,5 Millionen Euro erhielt sie 2018 von der ddvg.

Betriebsschließungen, Entlassungen, Tarifflucht, Abstoßen von Betrieben gehören zur Geschichte von ddvg und Madsack. An diesem fünftgrößten deutschen Medienkonzern hält die ddvg rund ein Viertel der Anteile und ist selbst durch weitere Beteiligungen an vielen anderen Zeitungen achtgrößter Medienkonzern in Deutschland.

Sie haben die Schnauze voll

Zwischen beiden Konzernen gibt es mancherlei Übereinstimmungen. In Erinnerung ist noch die Schließung der tarifgebundenen Druckerei der Madsack-Gruppe in Hannover (Hannoversche Allgemeine Zeitung, Neue Presse). Von dort wanderten die Aufträge zu einer tariflosen Druckerei, eben die in Rodenberg, zu der jetzt auch Neue Westfälische und Lippische Landeszeitung wechseln sollen. Beim Nordbayerischen Kurier in Bayreuth verloren mit der Schließung der Druckerei 500 Menschen ihre Arbeit. Kaum noch eine ddvg- oder Madsack-Zeitung wird in einer Druckerei mit Tarif hergestellt.

Eine Ausnahme gibt es: Der Druckauftrag der Lübecker Nachrichten geht zu den tarifgebundenen Kieler Nachrichten. Das Los der Beschäftigten in Lübeck ist indes offen. Erst wurden Abteilungen im Verlag ausgelagert oder geschlossen, jetzt trifft es die Druckerei. »Wir haben die Schnauze voll«, schimpft Betriebsratsvorsitzender Martin Strübing. Es gab zwar erste Verhandlungen mit der Geschäftsleitung, aber noch keine Ergebnisse.

Beteiligung der ddvg an Zeitungen, Zeitschriften und Druckereien. Nicht aufgeführt sind zwischengeschaltete Unternehmen. Die ddvg ist z.B. nicht direkt an der CNV Cuxhaven-Niederelbe Verlagsgesellschaft beteiligt, sondern über ihre 100%ige Tochter Oliva Druck- und Verlagsgesellschaft. Zum Teil liegen verschachtelte Konstruktionen an der Vorgeschichte des SPD-Medienkonzerns. Neueingestellte erhalten zum großen Teil nicht Tarif.

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Heimlicher Ausstieg erlaubt

Unternehmer sind nicht verpflichtet, öffentlich zu machen, wenn sie einen Unternehmerverband verlassen und damit die Tarifbindung aufgeben. Das gilt auch für den Wechsel in eine sogenannte OT-Mitgliedschaft: Mitglied im Unternehmerverband bleiben, aber Tarifverträge nicht mehr anwenden.

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Zur Geschichte der SPD-Parteizeitungen

Anfangs gründete der Medienbesitz der SPD nicht auf Profitstreben. Die Ursprünge einer Reihe von Zeitungen gehen bis ins deutsche Kaiserreich und die Weimarer Republik zurück. 1933 erschienen 186 sozialdemokratische Zeitungen mit einer Gesamtauflage von 1,17 Millionen Exemplaren. Während der Nazizeit enteignet, erhielten die SPD oder ihr verbundene Personen nach Kriegsende einen Teil der Zeitungen zurück. Doch in der Öffentlichkeit als Parteizeitungen wahrgenommen, verloren viele Blätter an Auflage und machten Verluste. Ab 1971 schließlich fasste die SPD die verbliebenen Zeitungen unter dem Dach der ddvg zusammen. Heute erscheinen in den beteiligten Verlagen werktäglich 1,2 Millionen Exemplare.