Von eingefahrenen Gleisen, kämpferischen Truppen und einem Neuanfang
Der Abschied war kein abrupter. Andreas Fröhlich, 56, wird noch die Tarifverhandlungen in der Papierverarbeitung führen und die Fusion der beiden Fachgruppenvorstände Verlage, Druck und Papier (VDP) sowie Industrie vorbereiten. Danach widmet er sich ausschließlich seinem neuen Job als Personalchef von ver.di.
DRUCK+PAPIER: Für viele Leute rund um den Fachbereich kam die Nachricht zu deinem Wechsel überraschend. Warum geht er weg, fragen sie sich.
Andreas Fröhlich: Ich habe die Arbeit fast 20 Jahre lang gemacht und gemerkt, dass ich auf eingefahrenen Gleisen unterwegs bin. Ich hatte Lust, etwas anderes zu machen. Beim verbleibenden Team weiß ich unsere Mitglieder in den Verlagen, im Druck, in der Papierverarbeitung und der Industrie in guten Händen.
Was wird dir garantiert nicht fehlen?
Das Reisen. Ich war im Jahr Tausende von Kilometern unterwegs zu Firmentarifverhandlungen und Aufsichtsratssitzungen, Konferenzen und Betriebsversammlungen. Wobei es mir großen Spaß gemacht hat, vor einer Verhandlung mit den Kollegen und Kolleginnen die Strategie auszutüfteln.
Was vermisst du?
Die ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen. Zum Beispiel die Tarifkommission Druckindustrie in Bayern. Sie waren großartig bei der Verteidigung des Manteltarifvertrags 2019. Keine Spur von Resignation. Das wünsche ich mir woanders auch.
Du hast viele Tarifrunden geführt, Streiks organisiert und harte Kämpfe in der Druckindustrie und Papierverarbeitung ausgefochten – worauf bist du stolz?
Auf die Tarifrunden in der Druckindustrie 2004/2005 und 2011, als wir die 35-Stunden-Woche verteidigten. Die Unternehmer hatten versucht, die Belegschaften zu spalten. Den kämpferischen Truppen, also dem Zeitungsdruck, sicherten sie die 35-Stunden-Woche zu, in der Hoffnung, dass sie ihre Streiks daraufhin beenden. Aber die Belegschaften hatten die Taktik durchschaut und machten weiter: Jetzt erst recht. Und auf unsere Mitglieder in der Papierverarbeitung, die in rund 100 Betrieben 2019 Forderungen des Unternehmerverbandes nach Öffnungsklauseln im Arbeitskampf abgewehrt haben.
Was ist dir misslungen?
Einen Organisationsgrad von 50 Prozent in der Papierverarbeitung zu erreichen. Das ärgert mich. Zumal sich die Beteiligung bei den Streiks gut entwickelt hat.
Wage mal einen Blick in die Zukunft: Gibt es den Manteltarif der Druckindustrie noch in zehn Jahren?
Ich sehe da gute Chancen, dass er nächstes Jahr wieder in Kraft gesetzt wird. Denn auch der Unternehmerverband ist daran interessiert, einen Friedensvertrag abzuschließen. Es hängt allerdings von der Entschlossenheit und dem langen Atem vieler engagierter Belegschaften ab, ob Nachteile hingenommen werden müssen.
Du hast im Laufe deines Lebens viele Wahlämter gehabt. Als Hauptamtlicher hast du bei Tarifverhandlungen und in Aufsichtsräten stets die Beschäftigten vertreten. Warum wechselst du jetzt die Seiten?
Das sehe ich nicht so. Eine gut funktionierende Personalabteilung schafft die Arbeitsbedingungen, die es den rund 3.000 ver.di-Kollegen und -Kolleginnen möglich machen, als Gewerkschaft schlagkräftiger zu werden. Das kommt wiederum unseren Mitgliedern zugute.
Gibt es einen Unterschied zwischen dem Job als Personalchef eines Privatunternehmens und in einer Gewerkschaft?
Aber klar (lacht). Ein Privatunternehmen wird zur Profitmaximierung den Faktor Arbeit in der Regel so billig wie möglich machen wollen. Das ist nicht das Interesse einer Gewerkschaft.
Die Ansprüche sind wechselseitig groß: Die Gewerkschaft verlangt mehr Arbeitsleistung, mehr politischen Anspruch; die ver.di-Beschäftigten verlangen eine sinnstiftende Aufgabe, Wertschätzung und nicht verschlissen zu werden. Was ist gute Arbeit für die Beschäftigten?
Zu guter Arbeit gehört es, den Beschäftigten Respekt und Anerkennung für ihre Leistungen zu zeigen. Man muss mit guter Kommunikation und Arbeitsorganisation sowie klaren Aufgaben motivieren. Wir müssen auch dafür sorgen, dass unsere Beschäftigten trotz der Ansprüche und Aufgaben gesund bleiben. Das kann mit Qualifikation, Zeitmanagement und Schulungen für Führungskräfte gelingen, die Überforderung erkennen. Nicht zuletzt muss der Job finanziell gut abgesichert sein.
Welches sind die drei wichtigsten Themen, die du angehen willst?
Ich will meinen Beitrag für eine Personalabteilung leisten, die effizient und transparent arbeitet und wegen ihres guten Service einen guten Ruf unter den ver.di-Beschäftigten genießt. Dazu gehört eine gute Beziehung zu unseren Betriebsräten, bei allen Interessenunterschieden. Drittens werden wir mittelfristig – ausgelöst durch die Fachbereichsfusionen – eine neue
Entgeltordnung brauchen.
Wie geht es dir in dem neuen Job?
Manchmal fühle ich mich leicht überfordert, weil ich noch nicht allen Anforderungen gerecht werden kann. Da mein Vorgänger schon weg ist, arbeite ich mich selbst ein. Ich bin aber guter Dinge. Optimistisch zu sein, gehört ja zu meinem Naturell.