Zeitungsverlage

»Politik soll endlich Meinungsvielfalt sichern!«

Zeitungsforscher Horst Röper: Staatliche Förderung ist nötig | Verlegerverband soll seine Verweigerungshaltung aufgeben | Vielfalt statt Medienkonzentration und publizistischem Einheitsbrei

DRUCK+PAPIER: In der Medienbranche gibt es Mutmaßungen, wann die letzte Tageszeitung gedruckt erscheinen wird. Wie ist Ihre Vorhersage?

Horst Röper: Solche Spekulationen und Prognosen gibt es seit Jahrzehnten, darunter solche, die schon für 2005 das Verschwinden der Druckausgaben vorhergesagt haben. Aber solide und nachvollziehbar kann man keinen Termin nennen.

Wo werden Zeitungen in zehn Jahren stehen?

Nicht wesentlich woanders als heute. Klar, die Auflagen werden weiter schrumpfen. Es wird weniger Titel und weniger Ausgaben von Regionalzeitungen geben. Auch die Verbreitungsgebiete werden kleiner. Aber das wird nicht das Aus für die Printprodukte bedeuten.

Wie viele Redaktionen wird es noch geben?

Die Zahl der Hauptredaktionen wird kleiner, weil immer mehr Häuser Nachrichten von Zentralredaktionen größerer Verlagsgruppen beziehen werden oder auch aus der Nachbarschaft. Es wird auch zu mehr Zusammenlegungen kommen. Und noch mehr eigenständige Lokalredaktionen werden geschlossen werden. Verlage werden von einstmals konkurrierenden Verlagen Lokalteile oder einen Großteil der Lokalberichterstattung übernehmen.

Horst Röper, Medienwissenschaftler und Diplom-Journalist, ist noch Geschäftsführer des FORMATT-Instituts, geht aber demnächst in den Ruhestand. Einer seiner Arbeitsschwerpunkte sind Erhebungen zur Medienkonzentration. Schon früh belegte er, dass es zwar viele Zeitungstitel gibt, aber durch Übernahmen und Zusammenschlüsse von Verlagen die Inhalte in wachsendem Maße dieselben sind.

Mit welchen Folgen für Arbeitsplätze?

Im klassischen Bereich wird weiterhin abgebaut werden. Nicht nur in Druckereien; von ihnen werden einige gänzlich verschwinden. Die Zeitungsproduktion geht dann entweder in den Fremddruck oder in Joint Ventures. Arbeitsplätze werden weiter verlagert. Im digitalen Bereich kommen vielleicht welche dazu, aber in der Summe sind sicher keine zusätzlichen Arbeitsplätze zu erwarten.

Viele Verlage versuchen, neue Geschäftsfelder zu erschließen: kostenpflichtige Newsletter, Podcasts, Veranstaltungen, Verkauf von Reisen oder Weinen.

Verkaufsaktionen kennen wir schon seit vielen Jahren, insbesondere bei überregionalen Medien, wo angesichts der größeren Leserschaft so etwas Erfolg versprechend war, zum Beispiel bei der Süddeutschen Zeitung mit Wein und Büchern. Veranstaltungsangebote leiden derzeit unter den Corona-Bedingungen. Es ist nicht absehbar, wann sich das wieder zu einem lohnenden Geschäft entwickelt. Auch Reisebüros waren einmal eine Stärkung neben dem zentralen Verlagsgeschäft. Zurzeit sind sie eher das Gegenteil.

Die größte Beratungsfirma in der Verlagsbranche Schickler und der BDZV (Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger) setzen auf Erträge aus dem digitalen Bereich, die bald Einnahmen aus dem Printbereich übersteigen würden.

Selbstverständlich sind Steigerungen der Einnahmen aus dem Digitalgeschäft das einzig zukunftssichernde Mittel. Aber für die meisten Verlagshäuser sind noch die Printprodukte ausschlaggebend, abgesehen von Ausnahmen, vor allem beim Axel Springer Verlag.

Werden weitere Verlage aufgeben müssen?

Auch in Zukunft werden kleinere und mittlere Verlage zum Verkauf stehen. Andere Verlage werden sie übernehmen. Traditionell gab es schon immer Binnenlösungen – Verlage kauften Verlage.

Mit weiteren Verlusten für die Meinungsvielfalt. Kann man gegenzusteuern?

Die Politik müsste sich endlich entschieden für Meinungsvielfalt einsetzen. Dazu gibt es aber wenig Bereitschaft. Grundsätzlich ist es zwar ein Fortschritt, dass die Bundesregierung in der Corona-Krise eingesehen hat, in den nächsten Jahren mit 220 Millionen Euro vor allem Zeitungen zu stützen. Was allerdings nicht ohne Auflagen geschehen sollte. Das reicht aber bei Weitem nicht aus. Eigentlich müsste angesichts zunehmender Monopolisierung und weiter wachsendem publizistischem Einheitsbrei der Bundestag eine Enquetekommission einsetzen (eine überfraktionelle Arbeitsgruppe, um zusammen mit Fachleuten Lösungen für grundsätzliche Probleme vorzulegen; d. Red.): Was versteht man heute unter Vielfalt? Und mit welchen Mitteln kann diese Vielfalt wiederhergestellt werden?

Könnte die Politik in Deutschland bei der Presseförderung vom Ausland lernen?

Vieles! In der gesamten EU gibt es vielfältige Formen der Förderpolitik mit einer breiten Palette von indirekten und direkten Fördermaßnahmen. Da diese Politik zum Teil schon seit Jahrzehnten genutzt wird, könnte man ablesen, was Erfolg verspricht und was weniger. Und was für den deutschen Markt übernommen werden könnte, der ja besonders ist im Vergleich zu anderen Zeitungsmärkten in Europa, weil hier die lokalen und regionalen Zeitungen so dominant sind und nicht so sehr nationale Blätter.

Aber der Verband der Zeitungsverleger sperrt sich gegen staatliche Förderung.

Das ist kaum nachvollziehbar, besonders die etwas merkwürdige Haltung des Präsidenten Matthias Döpfner von Springer. Aber ich gehe nicht davon aus, dass diese Haltung von allen Verlagen auf Dauer getragen werden wird. Kleine und mittlere Verlage wären heute froh, wenn man über Subventionen reden könnte.