Appl: Beim Kurzarbeitergeld getrickst?
Schließung von zwei Standorten auf einmal kein Thema mehr | Firmengruppe aus Bayern droht mit Kündigungen | Betriebsratsvorsitzendem wird Lohn vorenthalten
Ursprünglich plante die Firmengruppe Appl, zwei ihrer vier tariflosen Standorte zu schließen. Zum 30. Juni und 30. September sollten die beiden Druckereien in Reichenberg bei Würzburg und Ahrensburg bei Hamburg mit insgesamt 115 Beschäftigten dichtgemacht werden. Ende Januar hatte der Chef Markus Appl die Ahrensburger Belegschaft über das Schließungsdatum informiert. Bis in den März wurden ein Interessenausgleich und ein Sozialplan verhandelt, um die Folgen der Schließung abzumildern. Auch der Entwurf eines Appl-Anwalts lag vor.
Betriebsrat unter Druck gesetzt
Am 18. März erreichte die Betriebsräte eine neue Information: Durch die Corona-Pandemie müsse die Firma Kurzarbeit einführen, teilte die Personalleitung vom Firmensitz in Wemding per Mail mit. Sollte der Betriebsrat nicht bis 17 Uhr, also innerhalb von fünf Stunden, die Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit beschließen, würde den Beschäftigten gekündigt und die Zahlung der Löhne eingestellt, berichtet der ver.di-Gewerkschaftssekretär Jürgen Krapf.
Der Betriebsrat in Ahrensburg habe die Personalchefin mit Hinweis aufs Betriebsverfassungsgesetz aufgefordert, die Behinderung der Betriebsratsarbeit zu unterlassen. »Es kann nicht angehen, dass ein Unternehmen die Belegschaft mit Kündigung bedroht und den Betriebsrat unter Druck setzt«, sagt Krapf.
Seit der Pandemie ist von Schließung auf einmal nicht mehr die Rede. Stattdessen beantragte Appl Kurzarbeit, ließ das Kurzarbeitergeld durch die Agentur für Arbeit zahlen und sich die Sozialbeiträge erstatten. Eine Aufstockung aufs Kurzarbeitergeld verweigert die Firma.
Ein Unternehmen müsse bei der Beantragung der Kurzarbeit nachweisen, dass der Arbeitsausfall unvermeidbar und vorübergehend sei, teilt die Bundesagentur für Arbeit mit. Sei von vornherein erkennbar, dass die Wiederaufnahme der Vollarbeit nicht möglich sei, könne kein Kurzarbeitergeld gewährt werden. Sprich: Wer seine Werke ohnehin schließen will, kann nicht Kurzarbeit beantragen.
Auf Anfrage teilte die Geschäftsführung mit, dass die Chancen der beiden Standorte geprüft würden. Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat sind ausgesetzt. Der Produktionsbetrieb sei funktionsfähig und könne bei veränderter Auftragslage kurzfristig wiederaufgenommen werden. Kurzarbeit sei durch die Krise unvermeidlich.
Klage eingereicht
Beschäftigte beobachten das anders. Aufträge würden an den Firmensitz nach Wemding geleitet oder an externe Druckereien vergeben. Offensichtlich werde der Ahrensburger Standort, wie bereits angekündigt, zum Mai »auftragsfrei« gestellt. Geplant sei, nur noch wenige Tage im Mai zu arbeiten und die Belegschaft dann in Kurzarbeit null zu schicken.
Ende April stellte der Betriebsratsvorsitzende in Ahrensburg fest, dass die zweite Lohnzahlung in Höhe von 800 Euro ausge blieben ist. Auf Nachfrage erklärte ein von Appl beauftragter Berater sinngemäß: Sollte der Betriebsrat nicht kooperieren, würde man seine Kontonummer ganz vergessen. Der Betriebsratsvorsitzende klagt seinen Lohn nach Informationen von ver.di ein.
Keine Sitzung per Telefon oder Video
Werner Kulack, Vorsitzender des Betriebsrats bei DS Smith in Minden und Mitglied des Gesamtbetriebsrats
DRUCK+PAPIER: Wie verändert die Pandemie eure Betriebsratsarbeit?
Werner Kulack: Wir machen weiterhin einmal pro Woche unsere Sitzung, allerdings nicht mehr in meinem Büro, sondern im Konferenzraum. Dort können wir den erforderlichen Abstand einhalten.
Nun ist es übergangsweise bis Ende des Jahres auch möglich, dass Betriebsräte Beschlüsse via Telefon- oder Videokonferenz fassen dürfen. Das lässt das Betriebsverfassungsgesetz normalerweise nicht zu. Macht ihr das auch?
Kulack: Das ist nicht erforderlich, weil alle Betriebsratsmitglieder an den Präsenzsitzungen teilnehmen können. Selbst wenn welche krank würden, sind wir mit 16 Ersatzmitgliedern gut aufgestellt. Ich lehne Betriebsratssitzungen per Telefon oder Video ab. Es kann nie sichergestellt sein, dass nicht doch Unbefugte mithören. Und das Betriebsverfassungsgesetz schreibt vor, dass Sitzungen nicht öffentlich sind.
Ihr besteht als Standortbetriebsrat auch darauf, dass der Gesamtbetriebsrat Präsenzsitzungen durchführt. Wie soll das gehen bei einem Reiseverbot?
Kulack: Daran halten wir uns selbstverständlich. Zurzeit gibt es aber keine so dringenden Themen, dass sie nicht verschoben werden könnten. Telefon- und Videobesprechungen sind kein Ersatz für echte Treffen und einen persönlichen Austausch. Die Konzernleitung soll auch nicht auf die Idee kommen, dass sich der Gesamtbetriebsrat nicht mehr treffen müsste, damit das Unternehmen Übernachtungs-, Fahrtkosten und Tagungspauschalen spart.