Unterwegs zu den Gewinnern
Die vier Druck- und Medientechniker gewannen zwei Preise mit ihrem reißfesten, wasser- und säurebeständigen Jahrbuch der »Reporter ohne Grenzen«
Wochenlang hatten sie getüftelt, ausprobiert, verworfen, neu angefangen. Endlich war ihr Projekt fertig. Im Oktober fuhren die vier Druck- und Medientechniker Niklas Neukirchen, Samuele Zacco, Jakob Handy und Patrick Lingstädt (von links auf dem Foto) zur Gala der Druck & Medien Awards des Deutschen Drucker Verlags nach Berlin. »Erst auf der Bühne haben wir erfahren, dass wir gleich zwei Preise bekommen«, sagt Jakob Handy. »Da waren wir natürlich aus dem Häuschen.« Mit dem Silberpokal des Heidelberg Award und dem Kodak Award für den »größten Wow-Effekt« fuhren sie zurück.
Doch von vorne: Die vier Drucker steckten mitten in ihrem zweijährigen Studium zum staatlich geprüften Druck- und Medientechniker an der Gutenbergschule in Frankfurt am Main. Dazu gehört im zweiten Jahr ein Projekt. Etwas Einfallsreiches, Aufwendiges. In der Gutenbergschule zeigt die Lehrerin Astrid Thielke einige Beispiele. Da gibt es ein dreieckiges, kartoniertes Kinderbuch. Die Bilder enthalten Lenticularfolien, die je nach Blickwinkel die Illustration verändern. Eine andere Projektgruppe produzierte ein Buch über Battle-Rapper mit Laser-Cuts und Lücken-Bindung für ein einlegbares Blackbook. Ein Bildband hat eine tastbare Mountainbike-Spur quer über den Einband. Im Inneren spritzt die Erde vom Hinterrad dank Spot-Lackierung geradezu aus einer Doppelseite heraus. »Da mitzuhalten, war nicht leicht«, sagt Jakob Handy. Er hatte dann die Idee, ein kugelfestes Buch zu machen. »Etwas Unzerstörbares.« Ein Freund riet, bei den »Reportern ohne Grenzen« anzufragen. Eine Organisation, die sich weltweit für Pressefreiheit und gegen Zensur einsetzt. Die stiftete Fotos und Texte aus ihrem Jahrbuch 2018 für eine unzerstörbare Sonderedition. Die vier nannten ihr Projekt »Bullet Truth« – kugelsichere Wahrheit.
Druck- und Medientechniker Niklas Neukirchen, Samuele Zacco, Jakob Handy und Patrick Lingstädt (v.l.) Foto: Julian Kling / Gutenbergschule Frankfurt am Main
Fotos: Kai Wiedersum / Gutenbergschule Frankfurt am Main
Schussfest
Aber wie stellt man ein Buch mit 107 reißfesten, wasser- und säurebeständigen Seiten und schussfestem Einband her? Die vier suchten den Rat von Fachleuten und Sponsoren. »Für die Seiten sind wir auf Tyvek der Firma DuPont gekommen«, erzählt Niklas Neukirchen. Aus diesem Stoff bestehen die robusten Overalls der Spurensicherer an Tatorten. Die Gutenbergschüler überzeugten die Papier Union, das teure Material zu spenden. In der Schulwerkstatt testeten sie, wie es die Farbe annahm. Für den Druck der 200 Exemplare gewann Niklas Neukirchen seinen Ausbildungsbetrieb – Lohmann Druck in Bullay. »Wir haben uns zu viert bei meinen Eltern einquartiert und so lange getüftelt, bis die Maschinen richtig eingestellt waren.« Zum Binden fuhr das Quartett zu einer Firma nach Wuppertal. »Wir mussten aufpassen. Mit zu viel Leim hätten wir die Seiten aufgeweicht. Mit zu wenig wären sie auseinandergefallen.«
Für den schussfesten Einband empfahl die Firma DuPont die Folie Tensylon. Wochenlang tüftelten und telefonierten die Studenten, bis sie jemanden fanden, der den Dämmstoff in 4 Millimeter dicke und 21 mal 28 Zentimeter große Buchdeckel stanzen und verkleben konnte. Das erledigten die Panzerbauer von Rheinmetall. Auf einem Schießstand in Ulm wurde der Prototyp des Buches getestet. Das Ergebnis: Die Geschosse blieben im Deckel stecken. Klar war, dass es hier ausschließlich darum ging herauszufinden, ob das Buch tatsächlich ein Menschenleben schützen könnte.
Und dafür gab es die zwei Preise. Wichtiger als die Auszeichnungen seien für alle das neue Vertrauen in die eigene Kreativität und Kommunikationsfähigkeit, erzählt Jakob Handy. Die vier haben ihre Prüfung bestanden und sind nicht mehr länger Studenten an der Gutenbergschule. Jakob Handy entwickelt jetzt bei einem Süßwarenhersteller neue Verpackungen; Patrick Lingstädt fand einen Job bei einem Spezialdrucker in Nürnberg; Samuele Zacco peilt eine Karriere bei einem Verpackungshersteller an; Niklas Neukirchen stieg in die Firma seiner Familie ein. Unterm Strich: Die Anstrengungen haben sich gelohnt.
Projektbetreuerin Astrid Thielke und Lehrer Jörg Thomczek der Gutenbergschule Frankfurt am Main. Foto: Klaus Nissen