Aus den Betrieben

Verleger wollen es noch billiger

Zusteller-Betriebsrat der NW Logistik Bielefeld erstritt einen Sozialplan

Einigen Verlegern hat es nicht gereicht, dass die vorherige große Koalition beim gesetzlichen Mindestlohn eine Ausnahme gemacht hat. Sie hätten es gern noch billiger gehabt. Wie der Verlag der Neuen Westfälischen (100 Prozent SPD). Erster Akt: Die bisher separat verteilten Prospekte sollten in das neue Anzeigenblatt Mein Samstag eingelegt werden. Das hatte zur Folge, dass die Zu
steller/innen der NW Logistik Bielefeld ab 2015 nur den abgesenkten Mindestlohn 
von 6,38 Euro erhielten.

Dagegen wehrte sich der Betriebsrat per einstweilige Verfügung. Mit Erfolg. Der Verlag musste den Zusteller/innen pro Exemplar 5,5 Cent mehr zahlen – etwa zweieinhalb Mal mehr als geplant (siehe D+P 1/2015). Das galt allerdings nur für Beschäftigte mit Altverträgen. Sie bekamen auch 25 Prozent Nachtzuschlag, sechs Wochen Urlaub und 40 Prozent Weihnachtsgeld.

Zweiter Akt: Hinter dem Rücken des Betriebsrates waren drei Billigtöchter samt arbeitgebernahen Betriebsräten installiert worden. Wer dort arbeitete, erhielt weniger Lohn, Urlaub und Zuschläge.

Als der angestammte Betriebsrat gerichtlich festgestellt haben wollte, dass es sich um einen gemeinsamen Zustellbetrieb handele, gründete die Geschäftsführung der Zeitung Neue Westfälische sogar eine vierte Gesellschaft neu. Das war der dritte Akt. In diese NW Zustellkoordination wurden zunächst alle Gebietsleiter, die Springer und weitere Beschäftigte per Teilbetriebsübergang zwangsweise überführt; wenig später kam die übrige Altgesellschaft mit Betriebsrat durch klassischen Betriebsübergang nach. Die Zustellkoordination diente vorrangig dazu, Zusteller/innen von dort in die drei Billigtöchter zu drängen. Die Folge: Die Belegschaft schrumpfte immer mehr und der widerständige Betriebsrat stand bald auf verlorenem Posten.

Formal alles legal, dennoch ein Drama: Über Jahre protestierten Betriebsrat und Beschäftigte mit Klagen und öffentlichen Aktionen gegen Lohndumping und Zerschlagung des Betriebs. Zuletzt setzte der Betriebsrat im Herbst 2017 einen Sozialplan für alle Altbeschäftigten durch – mit guten Konditionen für die Bleibewilligen und Abfindungen für alle, die gehen wollten.

»Der Abgang unseres ver.di-Betriebsrates und der vieler altgedienter Kolleginnen und Kollegen ist die Geschäftsführung am Ende ziemlich teuer gekommen«, sagt Dirk Toepper von ver.di Bielefeld. Doch muss die Gewerkschaft in den neuen Medien-Service-
Gesellschaften erst wieder Tritt fassen. Die ver.di-Betriebszeitung Nachtfalter wird weiter berichten. neh