Nach Gutsherrenart
Geschäftsführer Appl drangsaliert Betriebsratsvorsitzenden | Vorwurf: unsolidarisch mit der Firma
Es ist ein Rechtsstreit, der schon mehrere Jahre dauert: Seit 2014 treffen Michael Kaag und sein Arbeitgeber, die Buchbinderei »m.appl«, immer wieder vor Gericht aufeinander. Damals wollte die Firma keine Jahresleistung und kein Urlaubsgeld mehr zahlen. Weil sich die Beschäftigten jedoch weigerten, neue Arbeitsverträge zu unterschreiben, hat die Buchbinderei die Sonderzahlungen kurzerhand gestrichen. Das war nicht rechtens, hat das Arbeitsgericht Augsburg entschieden. Und auch Michael Kaag, der ebenfalls geklagt hatte, hat recht bekommen.
Lauter tariflose Appl-Betriebe
Im Juni 2016 kündigte ihm die Firma fristlos, er klagte dagegen. Einen Tag vor dem Gerichtstermin zog Appl die Kündigung zurück. Kaag, der seit 1988 im Unternehmen beschäftigt ist und 2006 zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt wurde, kehrte an seinen Arbeitsplatz zurück. Doch schon im März 2017 ging es weiter: Per Aushang teilte die Geschäftsführung mit, dass sie Kaag Arbeitszeitbetrug, Störung des Betriebsfriedens und Hausfriedensbruch vorwerfe. Ein Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Anfang Mai brachte keine Einigung; die Parteien werden im Juni wieder vor einem Richter stehen.
Doch der Betriebsratsvorsitzende wird nicht einfach nur von dem Buchbinderei-Chef drangsaliert. Markus Appl ist Gesellschafter und Geschäftsführer der gesamten Firmengruppe Appl. Und die hat bei ver.di keinen guten Ruf. Die Firmengruppe mit Sitz im bayerischen Wemding, zu der die Buchbinderei mit rund 125 Beschäftigten und acht weitere Firmen gehören, zählt zu den großen Rollenoffsetdruckereien mit mehr als 800 Beschäftigten. Kein Betrieb ist tarifgebunden.
Rudi Kleiber von ver.di in Augsburg stärkt Kaag von Anfang an den Rücken. Seit Jahren übe die Geschäftsführung gnadenlosen Druck auf ihre Arbeitnehmer aus. Das sei eine Gutsherrenart, die nicht ins 21. Jahrhundert passt. Die Vehemenz, mit der die Geschäftsführung der Appl-Firmengruppe den unliebsamen Betriebsrat loszuwerden versuche, weise auf ein vollkommen gestörtes Verhältnis zu Betriebsräten hin. Auch ein weiterer Kollege, der für sein Weihnachtsgeld geklagt habe, sei schikaniert und dann zu schlechteren Konditionen und mit Einkommensverlusten in eine andere Abteilung versetzt worden.
Michael Kaag möchte sich zu den Auseinandersetzungen momentan nicht äußern – zu groß ist die Sorge, ein falsches Wort könne ihm im laufenden Prozess schaden.
Sein Arbeitgeber hat weniger Bedenken. Man habe dem Betriebsratsvorsitzenden schon mehrfach nahegelegt, über eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nachzudenken, sagt Markus Appl. Kaag sei der einzige Mitarbeiter, der seine Sonderzahlungen weiterhin jedes Jahr einklagt und sich als einziger Beschäftigter mit dem Unternehmen zu keinem Zeitpunkt solidarisch zeigte – all dies sei dem Betriebsfrieden nicht zuträglich. Findet der Chef.
Kaag denkt nicht daran aufzugeben. Dafür sei auch der Rückhalt unter seinen Kollegen zu gut. Auch bei der Betriebsvereinbarung, die jetzt verhandelt wird, werde er alles Mögliche tun, um für die Beschäftigten ein gutes Ergebnis rauszuholen. Denn was auch immer Appl gegen ihn anführt – den Zugang zum Betriebsratsbüro kann er dem Vorsitzenden nicht verwehren.
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