Ein bewegtes Leben
Der Hamburger Gewerkschafter Günter Lucks schreibt über seine Kindheit zwischen Kommunismus und Hakenkreuz
»Der ewige Hilfsarbeiter.« So nennt sich der 87-jährige Günter Lucks selbst. Jahrzehntelang hat er an Rotationsdruckmaschinen in Hamburger Druckereien gearbeitet. In dieser Zeit hat er nicht nur 152 Kollegen für die Gewerkschaft gewonnen. Im heftigen Tarifkonflikt um die Einführung der 35-Stunden-Woche war er auch einer der Streikleiter bei Springer in Ahrensburg. »Das trug mir die Geschäftsleitung sehr nach und ich handelte mir ein Gerichtsverfahren ein«, berichtet Günter Lucks in einem Brief an die DRUCK+PAPIER. »Wie man sieht: Ein bewegtes und erfolgreiches Gewerkschaftsleben, und das nur als ›grafische Hilfskraft‹.«
Ein bewegtes Leben. In der Tat. Und das schon lange vor Beginn seiner gewerkschaftlichen Aktivität. Denn Günter Lucks wuchs in turbulenten Zeiten auf. Festgehalten hat er diese in einem spannenden Buch mit dem Titel »Der rote Hitlerjunge«. Lucks beschreibt darin, wie er im Hamburger Osten in einem proletarischen, politisierten Milieu aufwuchs. Die Eltern überzeugte Kommunisten, der Vater aktiv im »Rotfrontkämpferbund«, der Onkel Sozialdemokrat. Lucks erzählt aus der Perspektive des Kindes, das Aufmärsche am 1. Mai, Debatten zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten, Konflikte mit den Nationalsozialisten erlebt. Und schließlich die Niederlage: Die Machtergreifung 1933 und die Vernichtung der Arbeiterorganisationen.
Als Kindersoldat im Krieg
Doch den kleinen Günter zogen die Nazis in ihren Bann. Am 1. September 1939, dem Beginn des deutschen Überfalls auf Polen, trat er in die Hitlerjugend ein. 1945 zog er als gerade mal 16-Jähriger sogar freiwillig in den Krieg, landete bei der Waf fen-SS – als Kindersoldat, wie man es heute nennen würde. Es folgten fünf Jahre in Kriegsgefangenenlagern der Sowjetunion.
Lange hat Günter Lucks seine schlimmen Erlebnisse verdrängt. Doch jetzt hat er sie in mittlerweile drei Büchern verarbeitet, die er gemeinsam mit dem Journalisten Harald Stutte verfasste. Das tat er nicht nur für sich. Er will auch den Jüngeren klarmachen, wie menschenverachtend die nationalsozialistische Ideologie ist. Darüber spricht er in Schulklassen als Zeitzeuge.
Auch gewerkschaftlich ist Günter Lucks stets aktiv geblieben – bis heute in der Seniorengruppe des ver.di-Fachbereichs in Hamburg. Zuvor war er viele Jahre Betriebsrat und Vertrauensmann, Delegierter zu fünf Gewerkschaftstagen der IG Medien, einige Jahre Bundes- vorsitzender der Berufsgruppe Grafische Hilfskräfte.
Tatsächlich ein bewegtes Leben. Eines, von dem wir alle viel lernen können.
Günter Lucks/Harald Stutte: Der rote Hitlerjunge. Meine Kindheit zwischen Kommunismus und Hakenkreuz, Hamburg, Rowohlt, 2015, 233 Seiten, 9,99 Euro, Druck: CPI, Leck, ISBN: 978-3-499-62923-5