»Der Flächentarif stand auf der Kippe«
Mit nur einer Gegenstimme hat die ver.di- Tarifkommission dem Tarifabschluss in der Druckindustrie zugestimmt. Kurz nach der Sitzung befragte DRUCK+PAPIER den Verhandlungsführer Frank Werneke zum Ergebnis.
DRUCK+PAPIER: Bist du zufrieden mit dem Abschluss?
Frank Werneke: Nach einer solchen Tarifrunde bin ich vor allem erleichtert, dass wir ein Ergebnis haben. Ob es überhaupt gelingt, wieder einen Flächentarifvertrag für die Druckindustrie abzuschließen, stand in dieser Tarifrunde ein paar Mal auf der Kippe. Wir haben in diesem Arbeitskampf, glaube ich, herausgeholt, was herauszuholen war.
Bist du zufrieden?
Ich finde, wir haben ein respektables Ergebnis erzielt.
Aber ver.di hat das selbst gesteckte Ziel verfehlt, dass die Belegschaften in der Druckindustrie nicht abgehängt werden.
Bei einer Lohnerhöhung von 3,8 Prozent kann von Abhängen nicht die Rede sein. Mir sind die Schwächen des Ergebnisses bewusst, insbesondere die lange Laufzeit von 29 Monaten.
Seit 15 Jahren leitet Frank Werneke für ver.di die Verhandlungen in der Druckindustrie.
Aber die 3,8 Prozent, die wir erreicht haben, sind tabellenwirksam, wirken also dauerhaft. Sie zählen auch bei der Berechnung der Zuschläge, dem Urlaubsgeld und der tariflichen Jahresleistung. Ganz anders als die vom Arbeitgeberverband vorgeschlagenen Einmalzahlungen. Diese haben wir deshalb verhindert.
Dennoch ist ver.di etwa ein Prozentpunkt hinter den Abschlüssen in der Metallindustrie und im öffentlichen Dienst geblieben.
Das ist richtig. Hinter diesen Abschlüssen bleiben wir mit unserem Ergebnis zurück. Wir haben es in der Druckindustrie seit Jahren mit einer Situation zu tun, die deutlich anders ist als etwa in der metallverarbeitenden Industrie. Unsere Branche ist durch Insolvenzen und Schließungen belastet, durch den massiven Abbau von Arbeitsplätzen und einen harten Preiskampf. Unter diesen Bedingungen ist der Abschluss durchgesetzt worden. Mühsam erkämpft, möglich nur durch die Streiks.
Siehst du in der Streikbeteiligung ein Problem? Schließlich haben weniger tarifgebundene Betriebe die Arbeit niedergelegt als etwa 2011.
Im Vergleich zu anderen Branchen müssen wir uns nicht verstecken. So ist der Anteil der streikenden Kolleginnen und Kollegen in der Druckindustrie höher als zum Beispiel in der Metallverarbeitung. Wir wissen aber auch, dass wir sehr viel mehr Beschäftigte vor die Tore bekommen müssen, als das in anderen Branchen der Fall ist, damit sich der hart leibige Druck-Arbeitgeberverband bewegt. Ein Problem sehe ich darin, dass die Streikbeteiligung von Nicht-Zeitungsbetrieben zu schwach ist.
Aber unterm Strich hältst du die Streikbeteiligung für ausreichend?
Was nicht ausreichend ist, ist die Zahl der tarifgebundenen Betriebe. Es gibt viel zu viele Druckereien, die zwar Mitglied im Unternehmerverband sind und dort auch großen Einfluss haben, aber den Tarifvertrag nicht vollständig anwenden. Gleichwohl orientieren sich die Arbeitgeber oftmals am Tariflohn. Der Lohntarif ist unverändert Leitwährung, selbst in formal nicht tarifgebundenen Betrieben. Auch wenn andere Regelungen der Tarifverträge in tariflosen Betrieben nicht angewandt werden, etwa bei der Arbeitszeit. Wir werden in der Zukunft also viel Energie in das Ziel stecken müssen, diese Belegschaften zum Streiken zu bewegen. Schließlich profitieren auch sie von guten Lohnabschlüssen.
Was wünschst du dir für den 31. August 2018? An dem Tag endet die Friedenspflicht für den jetzt abgeschlossenen Lohntarifvertrag.
Wir müssen diesen Negativtrend aufhalten, dass es immer weniger tarifgebundene Betriebe gibt. Mein Ziel ist es, in der nächsten Tarifrunde mit mehr Belegschaften an den Start zu gehen, die unter Tarifschutz stehen.
Beschäftigte der Firma Bosch-Druck im Streik