Besonnenheit bewahren
»Von der Buchdruckergewerkschaft zu ver.di« heißt das Motto in diesem Jubiläumsjahr. Wir erinnern an Wegmarken. Druck+Papier kann das auf eigene Weise tun, denn unsere Branchenzeitung hat diese Entwicklung von Beginn an dokumentiert.
Im Kampf um den Neunstundentag kam es im Oktober 1891 zum Bruch der »Tarifgemeinschaft« aus gewerkschaftlichem Buchdrucker- verein und dem Buchdruckerverband der Prinzipale. Zwischen beiden war 1873 – nach 14-wöchigem Streik – erstmals ein Flächentarifvertrag vereinbart worden. Im »Neunstundenkampf« um eine Stunde weniger Arbeitszeit brachen die Prinzipale jegliche Gespräche ab. Der folgende Streik brachte den Gehilfen im Januar 1892 eine böse Niederlage. Die Gewerkschafter müssten der Tarifgemeinschaft »keine Thräne nachweinen«, man sei vielmehr »von einem drückenden Alpe befreit«, könne »nun wieder frei aufatmen«, schrieb der spätere Redakteur Ludwig Rexhäuser zuvor auf der Titelseite des »Correspondent« vom 18. Oktober 1891:
»Wohlan denn, die vermeintlichen Retter des Gewerbes werden bald genug einsehen, was für einen Streich sie sich selbst gespielt haben, dadurch, dass sie mit der schroffen Abweisung der Verkürzung der Arbeitszeit den Verhandlungen der Tarifkommission ein so jähes Ende bereiteten. Oder wollte man die Gehilfenvertreter nur erschrecken, um sie zum Abstehen von ihrer Hauptforderung zu veranlassen? Uns scheint es so, wenn wir bedenken, dass der hierauf gerichtete Einfluss auf die Prinzipalvertreter von Leipziger Verlagsbuchhändlern, welche doch allein an der Niedrighaltung des Tarifs ein wesentliches Interesse haben, ausgegangen ist. Am Abende vor dem Abbruche der Verhandlungen hatten sich einige Prinzipalvertreter dahin ausgesprochen, einen versöhnlichen Ausgleich herbeizuführen, doch scheinen sie am Morgen des folgenden Tages zu einer entgegengesetzten Meinung gebracht worden zu sein und zwar durch die Leipziger Prinzipale, welche gleichzeitig Selbstverleger sind.
Die Gehilfen haben die Besonnenheit bewahrt, sie haben sich nicht ins Bockshorn jagen lassen. Sie werden vorläufig ihre Forderung … vertagen, nicht aber von derselben abstehen … Gewiss werden die Gehilfen sich stets bereit halten, ihrer Forderung nach Herabsetzung der täglichen Arbeitszeit auch den nötigen Nachdruck durch eventuelle Arbeitseinstellung zu geben, doch betrachten sie diese immer nur als äußerstes Mittel, um zum Ziele zu gelangen, zu einem unüberlegten Streiche werden sie sich aber selbst durch geschicktere Kniffe als den zuletzt angewandten nicht verleiten lassen.«