Schokolade für Waffenfreunde
Manchmal kriege ich Anfälle von Radikal. Dann recke ich kämpferisch die linke Faust und rufe wie früher: »Afghanistan, Syrien, Türkei – bei jeder Schweinerei ist die BRD dabei« oder »Deutsche Waffen, deutsches Geld, morden mit in aller Welt!« Dabei hüpfe ich um meinen Wohnzimmertisch – bis meine Tochter reinkommt und sagt: »Papa, bist du wieder peinlich?« Was früher selbstverständlich war, ist jetzt das neue Peinlich. Dagegen heute selbstverständlich: Sigmar Gabriel verteidigt regelmäßig deutsche Waffenverkäufe in Rekordmengen: Wir verkaufen ja nur an Freunde und Partner und die müssen versprechen, dass sie die Waffen niemals benutzen. Weil man Freunden vertraut, glauben wir ihnen, dass sie mit den Waffen nur Fluchtursachen bekämpfen wollen. Deshalb bekommt Katar Panzer von Deutschland.
Vermutlich hat Franz Beckenbauer – der WM-Botschafter für 2022 – persönlich dafür gebürgt, dass »der Scheich« ein »Supertyp« ist. Niemals würde er die Panzer benutzen. Die ausländischen Bauarbeiter auf den Stadionbaustellen sterben ja auch so wie die Fliegen. Katar will die Panzer gewiss nur aufstellen, um Hooligans in Schach zu halten. Und Saudi-Arabien ist eh nur Wüste und Öl – da dienen die Panzer eher als extravagante Quads für Picknick-Ausflüge der Königsfamilie. Auch die Türkei will deutsche Waffen nicht benutzen, versichert der Präsident und Freund der türkischen Pressefreiheit, Recep Tayyip Erdoğan. Waffen seien wie Schokolade: Es ist immer gut, einen Vorrat davon im Haus zu haben, falls unangemeldet Fremde zu Besuch kommen. Ich befürchte, es dauert keine zwei Monate mehr, bis Angela Merkel im deutschen Fernsehen Erdoğan »einen lupenreinen Demokraten« nennt. Viele sagen: Früher ging’s uns gut, heute geht’s uns besser. Besser wäre, es ginge uns heute wieder gut. Und linke Slogans wären nicht peinlich. Sondern selbstverständlich.