»Beschäftigte haben sich das verdient«
Ganz Deutschland im Tarifkampf? Das ist gar nicht abwegig. Im Frühsommer geht es für 3,8 Millionen Metaller und mehr als zwei Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst um mehr Geld, mittendrin die Druckindustrie. Ist das gut? Kann das helfen? Fragen an Andreas Fröhlich.
DRUCK+PAPIER: Der Ökonomie- Professor Peter Bofinger, einer von fünf sogenannten Wirtschaftsweisen, empfiehlt Lohnzuwächse von drei Prozent, aber nicht fünf, wie ihr das jetzt fordert. Wie begründet ihr eure Forderung?
Andreas Fröhlich: Ganz einfach: Die Kolleginnen und Kollegen der Druckindustrie haben sich das verdient. Leistungsverdichtung durch anhaltenden Personalabbau, hohe Arbeitsbelastung durch Schicht- und Wochenendarbeit und mehr Stress, weil in immer kürzerer Zeit höchste Qualität geliefert wird – das muss sich auch in der Bezahlung niederschlagen.
Eure Forderung ist so hoch wie die der IG Metall. Diese bezeichnet die Ertragslage der Unternehmen in der Metall- und Elektroindustrie allerdings als »durchschnittlich bis exorbitant gut«. Davon kann in der Druckindustrie keine Rede sein.
Richtig ist, dass die Druckindustrie eine kriselnde und schrumpfende Branche ist. Aber in den meisten Zeitungsverlagen werden immer noch gute Gewinne erzielt und Teilbranchen wie der Online- und Digitaldruck wachsen. Wer glaubt, dass Arbeitsplätze durch Lohnzurückhaltung gerettet werden, irrt. Das Gegenteil ist der Fall. Wir müssen dafür sorgen, dass die Branche für hoch qualifizierte Beschäftigte attraktiv bleibt – auch mit guten Löhnen. Sonst wandern sie in besser zahlende Branchen ab. Die Beschäftigten der Druckindustrie dürfen nicht abgehängt werden.
In der Druckindustrie und anderswo gibt es immer weniger tarifgebundene Betriebe und damit weniger streikbereite Belegschaften. Wie wollt ihr gegensteuern?
Künftig wollen wir auch Betriebe beteiligen, die bislang nur auf der Zuschauertribüne saßen und sich sicher sein konnten, von Tarifauseinandersetzungen nicht behelligt zu werden. Wir werden besonders ein Auge auf sogenannte OT-Unternehmen (ohne Tarifbindung) haben. Diese sind zwar Mitglied im Arbeitgeberverband, wenden aber keinen Tarifvertrag an und beeinflussen dennoch die Geschäfte im Verband. Wir werden in der Tarifauseinandersetzung gezielt tariflose Betriebe zu Lohnverhandlungen auffordern.
Hilft es, dass auch die IG Metall und andere in ver.di für höhere Löhne und Gehälter streiten? Segelt ihr im Schatten der Großen mit?
Wenn es in der ganzen Republik eine breite Bewegung für mehr Lohn gibt, ist das auch für uns beflügelnd, keine Frage. Aber jeder muss letztlich selbst für seinen Abschluss kämpfen. Und für uns wird es keinesfalls eine einfache Tarifrunde. Die Zeitungsverleger haben in den Tarifverhandlungen für Redakteur/innen an Tageszeitungen bereits die Richtung klargemacht: Sie wollen eine Laufzeit von drei Jahren, Nullmonate und nicht einmal die Inflation ausgleichen. Und da im Zeitungsverlegerverband zum Teil die gleichen Personen sitzen wie im Arbeitgeberverband der Druckindustrie, ist davon auszugehen, dass wir wieder eine zähe und schwierige Tarifrunde zu bewältigen haben.
Der Arbeitgeberverband hat eure Forderung als realitätsfern bezeichnet.
Das ist die übliche Reaktion. Unsere Tarifforderung ist in den Augen der Arbeitgeber immer abwegig. Davon lassen wir uns nicht irritieren. Wichtig ist, dass unsere Forderung für unsere Mitglieder vor dem Hintergrund ihrer Lebens- und Arbeitssituation realitätsnah ist. Das ist unser Maßstab.
Zeitplan der Tarifrunde
17. Februar
Die ver.di-Tarifkommission hat entschieden, das Lohnabkommen zum
31. März 2016 zu kündigen. Zugleich beschloss sie einstimmig eine Forderung von fünf Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.
7. April
Erste Verhandlungsrunde in Frankfurt am Main blieb ohne Ergebnis.
1. Mai
Ende der Friedenspflicht – ab jetzt kann
ver.di die Beschäftigten der Druckindustrie zu Streiks aufrufen.
3. Mai
Zweite Verhandlungs
runde in Köln
24. Mai
Dritte Verhandlung in Berlin
Aktuelle Infos
zur Tarifrunde
www.bit.ly/tarif16