Arbeit

Im Konflikt zusammengerückt

Belegschaft der insolventen Druckerei Johannes Alt in Niederdorfelden gibt Hoffnung nicht auf

Auf der einen Seite der Halle der Druckerei Johannes Alt im hessischen Niederdorfelden herrscht Betriebsamkeit. Die 700 MAN Roland spuckt unablässig farbig bedruckte Papierbögen aus, die später zu CD-Booklets weiterverarbeitet werden. Sie läuft rund um die Uhr. Doch auf der anderen Seite der Halle: gähnende Leere. Lediglich einige Paletten mit Papier stehen herum. Hier liefen kürzlich noch zwei weitere große Druckmaschinen. Der frühere Eigentümer, die Essener OGK Media Offset Gerhard Kaiser GmbH, hatte sie abtransportieren lassen und den gut laufenden Betrieb offenbar gezielt in die Insolvenz getrieben. Jetzt kämpft die Belegschaft um ihre Zukunft.

Kunden bleiben treu

»Die Auftragsbücher sind voll, wir haben alle Hände voll zu tun«, berichtet der Betriebsratsvorsitzende. Einige Arbeiten muss der Betrieb sogar an andere Unternehmen weitergeben, um die Kunden nicht zu enttäuschen. Diese sind trotz der Insolvenz bei der Stange geblieben. »Sie wissen, dass wir pünktlich und mit hoher Qualität liefern«, meint der Buchbinder Dieter Hilß. Auch Dienstleister und Zulieferer blieben der Firma treu.

Werk heruntergewirtschaftet

Dabei waren die vergangenen Monate reichlich turbulent. Trotz guter Auftragslage wirtschaftete die OGK-Spitze das traditionsreiche Werk in der Wetterau regelrecht herunter. Sie verkaufte eine der drei großen Druckmaschinen. Über Umwege landete sie beim tschechischen Tochterunternehmen des Konzerns. Eine weitere Maschine ließ das Management im Sommer in einer Nacht-und-Nebel-Aktion abtransportieren. Die Belegschaft war zwar alarmiert, konnte die Verlagerung aber nicht verhindern. Wenige Tage später verkündete der Geschäftsführer Roland Schneider die Insolvenz – und suchte sofort das Weite. »Völlig verantwortungslos« nennt ver.di-Bezirksgeschäftsführerin Angelika Kappe das.

Die 42 Beschäftigten bangen nun um ihre Jobs. Die meisten sind seit vielen Jahren im Unternehmen, den Betrieb wollen sie nicht kampflos aufgeben. »Wir halten zusammen und tun alles dafür, dass es weitergeht«, sagt die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Andrea Stein. Die vielen Auseinandersetzungen hätten die Kolleginnen und Kollegen zusammengeschweißt. »Früher waren die Drucker mit den Druckern zusammen, die Buchbinder mit den Buchbindern«, erzählt der Betriebsratsvorsitzende. »Das hat sich total geändert. Jetzt kämpfen wir gemeinsam.«

Bewirkt hat das nicht nur die Insolvenz, sondern vor allem der Konflikt mit dem alten Management. Seit seinem Amtsantritt 2013 setzte Geschäftsführer Schneider auf Konfrontation. Einseitig verlängerte er die Wochenarbeitszeit und kürzte die Stundenlöhne – ohne die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auch nur zu beachten. Am Anfang versuchte es der Betriebsrat mit Zugeständnissen und Kompromissen. Das funktionierte nicht. Nach einem Wechsel an der Betriebsratsspitze suchte sich das Gremium daher Hilfe: bei Rechtsanwälten und der Gewerkschaft ver.di. »Sie haben uns die Angst genommen. Wir haben gelernt, dass man sich wehren kann«, sagt Andrea Stein, die in der Buchbinderei arbeitet.

Betriebsrat agiert transparent

Sowohl ver.di als auch der Betriebsrat haben in der Belegschaft an Unterstützung gewonnen. »Wir spielen immer mit offenen Karten und sagen, wie es ist«, betont Andrea Stein. Dadurch entwickelte sich wieder ein Vertrauen, das dem alten Betriebsrat teilweise verloren gegangen war. Insbesondere in der Produktion ist die große Mehrheit der Kollegen in ver.di organisiert. Im vergangenen Jahr traten sie drei Mal in den Streik, um gegen die Lohnkürzungen und für einen Anerkennungstarifvertrag zu kämpfen. Dann kam die Insolvenz.

Die Beschäftigten bleiben dennoch zuversichtlich. Sie hoffen auf einen Investor, der dafür sorgt, dass bald auch wieder auf der anderen Seite der Halle produziert wird.

Die Kolleginnen und Kollegen von Johannes Alt vor der einzigen verbliebenen Druckmaschine Foto: Daniel Behruzi