Auszeit

Dinge von Dauer

Schatzsucher im Dresdner Buchmuseum können auch Materialfragen debattieren

Wie lange halten moderne Datenträger und Bedruckstoffe? Eine offene Frage. 4.000 Jahre alte Tonkegel oder jahrhundertealte »Datenträger« setzen da Maßstäbe. Die Raritäten, die in der Schatzkammer des Dresdner Buchmuseums für jedermann zugänglich sind, belegen: Ob etwas überdauert, hängt von vielem ab, doch immer auch vom Material.

 

Eine Handschrift aus der Spätzeit der Maya, der sogenannte »Codex Dresdensis«, ist das bekannteste Exponat, das Museumsleiterin Katrin Nitzschke in der Schatzkammer hütet: »Wir hatten schon Besucher aus Mexiko, die ehrfürchtig vor der Vitrine niedergekniet sind.« Vor einigen Jahren habe es einen regelrechten Ansturm gegeben. Damals kamen viele, um aus der Maya-Handschrift den Weltuntergang für Dezember 2012 herauszulesen. Doch der dargestellte »Bauernkalender« sei ein immerwährender und habe kein Ende, erläutert die Museumschefin. Er zeuge von erstaunlichen Kenntnissen der mittelamerikanischen Ureinwohner über astronomische Phänomene wie Sonnen- und Mondfinsternisse. In Maya-typischen Silbenzeichen, kombiniert mit Zahlen und piktogrammartigen farbigen Bildern, gibt er Anleitungen zu jahreszeitlichen Zeremonien. Und er beschreibt die Aufenthaltsorte des Regengottes (mittleres Bild).

Das alles wusste man freilich nicht, als das »mexikanische Buch mit hieroglyphischen Figuren« 1739 für die Kurfürstliche Bibliothek erworben wurde. Die Entschlüsselung der 39 doppelseitig beschriebenen Blätter dauerte fast bis zum Jahr 1900. Die Handschrift ist eine von nur dreien, die aus der Zeit um 1250 und damit wohl aus den letzten großen Gemeinwesen der Maya im Norden von Yucatán weltweit noch erhalten sind. Als einzige wird sie öffentlich gezeigt, seit Langem. Ursprünglich waren die Blätter wie ein Leporello gefaltet, seit 170 Jahren liegen sie auf einer Gesamtlänge von 3,56 Metern ausgebreitet unter Glas. Als das damalige Bibliotheksgebäude gegen Ende des Zweiten Weltkriegs schwer beschädigt wurde, litt auch die Maya-Handschrift. Das papierähnliche Material, Amate, durch Weichen und Schlagen aus den Bastfasern des Feigenbaums erzeugt und mit Kreide grundiert, wurde feucht und musste mühsam gerettet werden. Seither wird der »Dresdner Kodex« möglichst gar nicht mehr bewegt. Mittlerweile gibt es ihn aber auch digital: www.slubdd.de/maya

Fünfzig ausgewählte Raritäten

Doch noch einmal musste das Original umziehen. Die zusammengelegte Staats- und Landes- sowie die Universitätsbibliothek Dresden erhielten einen Neubau und eigene Räume für das Buchmuseum. Fünfzig ausgewählte Kleinode liegen seit 2013 hinter einer metallbeschlagenen Tür im gedämpften Licht. Zu den Exponaten der Schatzkammer zählen kolorierte Drucke, etwa ein bestens erhaltener Pergamentband aus der Mainzer Gutenberg-Werkstatt. Es gibt jüngere Folianten mit prächtigen botanischen Abbildungen, Landkarten und Globen. Mit besonderer Freude zeigt Museumsleiterin Katrin Nitzschke gezeichnete und beschriftete Blätter Albrecht Dürers. Da die Autographen wieder im Dunkel des Magazins ruhen, liegt momentan die Druckausgabe aus. Mit ihr verbreitete der Künstler 1528 seine Proportionslehre.

Dürer als Fachbuchautor: drei Studien zu den Proportionen männlicher Figuren und die Profilskizze eines Alten mit Hut

Kalbsleder und Gold, in der Mitte das kurfürstliche Wappen – den Prachteinband für das Kräuterbuch schuf Jakob Krause 1582.

Andere Bücher werden speziell wegen ihrer Einbände gezeigt. Der Dresdner Hofbuchbindermeister Jakob Krause war in der Renaissance der bedeutendste Könner seiner Zunft. Der Buchbinder dagegen, der eine Luther-Handschrift zu bearbeiten bekam, nahm es damals längst nicht so genau: Etliche Randbemerkungen im »Commentarius in psalmos Davidis«, den der Wittenberger Theologieprofessor 1513 bis 1516 akribisch mit der Feder aufs Papier brachte, schnitt er respektlos weg.

Wie wichtig selbst die Tinte für das Überdauern von Informationen sein kann, belegen handschriftliche Auszüge aus der h-Moll-Messe. Johann Sebastian Bach bewarb sich mit dieser Notenschrift 1733 um den Titel des sächsischen Hofkompositeurs. Den brachte sie ihm vier Jahre später ein. Doch bis heute kämpfen die Bibliothekare mit dem Tintenfraß. -neh

Buchmuseum der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt frei, Führungen durch die Schatzkammer: sonnabends 14 Uhr. www.slubdd.de/ buchmuseum