Nachruf

Franz Kersjes ist gestorben

»Auf unserem Planeten ist ein Wettrüsten entfaltet worden, das alles bisher Dagewesene weit in den Schatten stellt. (…) Die Freiheit, die wir angeblich in der Not mit Waffen verteidigen sollen, ist nicht die Freiheit der Arbeiterklasse.«

Diese Sätze sind fast 40 Jahre alt und stammen aus der Rede von Franz Kersjes zum Antikriegstag in Köln. Wir wissen nicht, wie er den Menschen heute ins Gewissen geredet hätte angesichts von Aufrüstung und Krieg in der Ukraine. Franz Kersjes ist am 12. Januar 2023 mit 84 Jahren gestorben.

Weil er sich »nicht zum Töten ausbilden lassen wollte«, verweigerte er 1959 als 21-Jähriger den Kriegsdienst. Sind ihm doch viele Eindrücke aus den letzten Monaten vor Ende des Zweiten Weltkriegs in grausiger Erinnerung geblieben. Frieden zu schaffen bedeutete für ihn die gesellschaftlichen Verhältnisse zu ändern. Und dafür hat er sich auch in der Gewerkschaft eingesetzt.

Franz hatte im Laufe seines Gewerkschaftslebens viele Ämter: Tarifsekretär, Landesvorsitzender der IG Druck und Papier sowie der IG Medien in Nordrhein-Westfalen. Und doch war er keiner, der sich in die Hierarchie des Gewerkschaftsapparats eingefügt hätte. Im Gegenteil: Er hat auch dem geschäftsführenden Hauptvorstand der IG Druck und Papier die Leviten gelesen, wenn er es für nötig befand. Zum Beispiel 1989 in Hamburg. Um die IG Medien zu gründen, mussten sich die fusionswilligen Gewerkschaften auflösen. So auch die IG Druck und Papier. Das Präsidium rief den Tagesordnungspunkt auf, die Antragskommission empfahl Zustimmung: Auflösung der IG Druck und Papier. Wie hat sich Franz empört. Wie könne man eine Gewerkschaft, in der das Herzblut von so vielen steckt, hinter einem notariellen Akt verschwinden lassen.

Ein feiner Mensch

Den kritischen Geist Franz Kersjes’ hätte Loni Mahlein 1983 gern als seinen Nachfolger der IG Druck und Papier gesehen. Und viele andere auch. Niemand genoss in der Organisation so große Zustimmung wie er. Franz bat um Bedenkzeit – und sagte Nein. Weder einen Umzug noch seine häufige Abwesenheit wollte er seiner Familie zumuten.

Mit ver.di-Gründung ging Franz in Rente und machte weiter. Er veröffentlichte politische Texte auf seiner Website, war Mitglied bei attac, Greenpeace und amnesty international. Franz war ein feiner Mensch, sagen die, die ihn gut kannten. Einer, der menschliche Nähe lebte, zu dem jeder Zugang fand. Es sei denn, es war Karneval. Ausgerechnet in diese Zeit fiel manch eine Tarifverhandlung. Da murrte der Kölner. Selbst ein Gewerkschafter hat in der Zeit einfach was anderes zu tun. Franz, einer wie du fehlt immer!

Mehr von Franz Kersjes in:

»Erlebte Geschichten«, WDR, 1. Mai 2010. t1p.de/wdr-kersjesfranz