Arbeit

Die mächtige Lobby 
der Zeitungsverleger

Zusteller erhalten seit 1. Januar 2018 erstmals vollen Mindestlohn | Große Koalition vereinbart erneut Nachlass für Zeitungsbesitzer |

Nachts aufstehen, im Dunkeln Zeitungen stecken und doch nie den vollen 
Mindestlohn bekommen.

Was unterscheidet die Kellnerin vom Zeitungszusteller? Vieles. Aber eines haben sie gemeinsam: Beide brauchen ein Einkommen, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können. Auch deshalb haben sie Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Weil aber Zeitungsverleger mächtiger sind als Caféhausbesitzer, haben sie dafür gesorgt, dass für Zusteller/innen 2015 bei Einführung des gesetzlichen Mindestlohns eine Ausnahme gemacht wurde. Und zwar nach unten.

Zur Begründung musste für den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) das Grundgesetz herhalten. Durch den Mindestlohn, so behauptete er, würde die Zustellung vor allem in ländlichen Gebieten so teuer, dass sie eingestellt werden müsste. Ohne die Versorgung mit Zeitungen wäre die Pressefreiheit gefährdet. 
Ein absurdes Argument. Denn damit könnte man zum Schutz der Pressefreiheit Zeitungen auch unbezahlt austragen lassen.

Die alte Regierung erhörte dennoch die Verleger, obwohl die damalige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) einen Mindestlohn ohne Ausnahmen versprochen hatte. Kurzerhand bot sie den Verlegern einen Rabatt bei den Sozialbeiträgen für die Zusteller an. Dazu ist es nicht gekommen. Aber eingeknickt ist die große Koalition dennoch. Sie schenkte den Zeitungsbesitzern 225 Millionen Euro. So viel hätte sie der Mindestlohn nach ihren Angaben gekostet. Das Nachsehen hatten die Zusteller. Wer ausschließlich Zeitungen und Anzeigenblätter ausgetragen hatte, erhielt erst 6,38 Euro (2015), dann 7,23 Euro (2016) und schließlich 8,50 Euro (2017).

Und jetzt? Knickt die nächste – also die gleiche – große Koalition ein. Kaum sind die Zusteller beim Mindestlohn mit den anderen gleichgestellt, gibt es wieder Rabatt für die Verleger. SPD und CDU/CSU vereinbarten im Koalitionsvertrag, dass die Verleger fünf Jahre lang für Zusteller, die auf 450-Euro-Basis arbeiten, statt 15 nur 
5 Prozent in deren Rentenkasse zahlen müssen. Das fehlt nun in der Rentenversicherung.

Auch diesmal ist das Argument der Zeitungsbesitzer absurd. Weil Tageszeitungen einen unverzichtbaren Beitrag zur Verteidigung der Demokratie leisteten, müsse Zustellung finanzierbar bleiben, sagt Matthias Döpfner, Präsident der Zeitungsverleger. Man muss wissen: Dem Verlegerverbandspräsidenten hatte die Verlegerwitwe Friede Springer, Patin seines zweiten Sohnes, einen Aktienanteil am Springerverlag im Wert von 73 Millionen Euro geschenkt. Vielleicht sollte der Verlegerpräsident das Geld auf die Zusteller verteilen, damit die Pressefreiheit gesichert wird. Denn schließlich heißt es im Grundgesetz auch: Eigentum muss dem Allgemeinwohl dienen.