Leser-Mail

»Fertig! Anfahren!«

Die Reportage von Moritz Herbst (DRUCK+PAPIER 2/2021) über seine Erfahrungen als Auszubildender bei Broschek Anfang der 1980er- Jahre riefen bei Günter Lucks, 92, Erinnerungen von 1960 wach, als er dort in der Tiefdruckerei beschäftigt war. Günter Lucks, der sich selbst einmal als »ewigen Hilfsarbeiter« bezeichnete, ist Autor und Zeitzeuge. Gemeinsam mit dem Journalisten Harald Stutte hat er vier Bücher geschrieben, die bei Rowohlt erschienen sind. Das erste hieß »Der rote Hitlerjunge« und handelt von Lucks’ Kindheit zwischen Kommunismus und Hakenkreuz. Günter Lucks erinnert sich in seiner Mail an die schwere Arbeit der Helfer:

»Ich arbeitete an einer alten ›VOMAG‹ (Vogtländische Maschinenfabrik AG). Die Druckzylinder wurden von der Seite eingeschoben. Die Maschine hatte nur zwei Werke. Also Schön- und Widerdruck. Unter dem Zylinder war eine Wanne mit schwarzer Farbe. Sonst aber Spindeln und Rakelmesser wie später noch. Im Keller war der Rollenträger. Wenn das Papier fast abgelaufen war, zog der Kollege an einem Strick und oben klingelte eine Glocke. Durch ein Sprachrohr verständigte man sich, dass die Rolle abgelaufen sei. Die Maschine wurde angehalten. Die neue Papierrolle war eingerastet. Vorher musste die Klebestelle auf dem Papier mit einem Pinsel etwa 20 Zentimeter breit mit Kleister eingestrichen werden. Die breiten Antriebsriemen mussten mühsam mit der Hand und einer Kurbel hochgezogen, danach auf die neue Rolle wieder runtergedreht werden. Der Kollege musste mit der Hand die Rolle drehen, bis der Kleber oben durch war. Das war schon eine schwere Arbeit. Dann, wieder mit Klingel und Sprachrohr: ›Fertig! Anfahren!‹ Übrigens waren wir zu der Zeit alle Mitglieder der Gewerkschaft Druck und Papier!

Die Druckerei befand sich damals im Hinterhof der Hamburger Straßen Große Bleichen und Heuberg. Der Personaleingang war in der Straße Große Bleichen gegenüber vom Ohnsorg Theater. In der Sturmflutnacht von 1962 versuchten wir im Keller, das Wasser dort ging bis an die Knie, das Archiv und alte Zeitungsexemplare zu retten. Das meiste davon war aber völlig durchnässt und unbrauchbar.«