Auf die Qualität kommt es an
»Tech Konzerne beordern Angestellte zurück ins Büro« – so ähnlich lauten Überschriften über Apple, Google, Facebook und Zoom. Zumindest zwei oder drei Tage pro Woche Anwesenheitspflicht verlangen die US-Unternehmen. Die Beschäftigten rebellieren gegen die zwangsweise Rückbeorderung ins Büro. Was tut sich in Deutschland? Bettina Seibold vom IMU Institut hat Antworten.
DRUCK+PAPIER: Viele Beschäftigte arbeiten – zumindest gelegentlich – zu Hause. Das Homeoffice hat sich etabliert, oder?
Bettina Seibold: Wir wissen aus Beratungen und unseren Betriebsratsnetzwerken, dass viele Beschäftigte weiterhin mobil arbeiten wollen. Gleichzeitig sind Unternehmensleitungen und Führungskräfte der Ansicht, dass mehr Präsenz im Büro notwendig wäre. Sie versuchen, über Desksharing in Kombination mit guter Büroraumgestaltung eine so attraktive Arbeitsumgebung zu schaffen, dass die Beschäftigten gern ins Büro kommen.
Es geht Unternehmen nicht darum, mit Desksharing Flächen einzusparen?

Bettina Seibold ist Geschäftsführerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin des IMU Instituts in Stuttgart mit dem Schwerpunkt Arbeitsgestaltung.
Foto: privat
Solche Unternehmen gibt es. Aber es geht auch darum, eine innovationsfähige Atmosphäre und einen informellen Austausch untereinander möglich zu machen, ohne dass alle täglich im Büro anwesend sein müssen. Ziel ist, Fachkräfte zu gewinnen und zu halten.
Mal im Büro, mal zu Hause – wirbelt das die Arbeitsorganisation nicht gehörig durcheinander?
Und wie. Wir haben es nach der Corona- Pandemie mit einer neuen Phase der Arbeitsorganisation zu tun. Vieles muss jetzt neu verhandelt werden: Wie werden neue Mitarbeiter*innen eingearbeitet, wenn das Team selten oder nie komplett präsent ist? Wie erreiche ich meine Teammitglieder? In manchen Unternehmen werden Arbeitszeitrahmen ausgeweitet, etwa von 6 bis 19 Uhr. Welche Tools werden für die Kommunikation genutzt? Der Koordinationsaufwand wird höher, die Arbeitsbeziehungen ändern sich. Einerseits ermöglicht mobiles Arbeiten, die Arbeitszeit auch nach eigenen Wünschen zu gestalten; andererseits muss ich beweisen, dass ich volle Leistung bringe, ohne im Büro sichtbar zu sein. Diese Art der Arbeit funktioniert mit indirekter Steuerung: Macht, was ihr wollt. Hauptsache, das Ergebnis stimmt!
Sollen Unternehmen trotz Homeoffice für jede*n Beschäftigte*n einen Arbeitsplatz vorhalten?
Nein. Aber es kommt auf die Qualität des Desksharing an. Schlecht gemacht führt es dazu, dass Beschäftigte noch seltener ins Büro kommen wollen. Gutes Desksharing zeichnet sich dadurch aus, dass Beschäftigte von Anfang an in die Planung einbezogen werden: Was brauchen sie, um gut arbeiten zu können? Zwei Monitore, ein Viererbüro für Stillarbeiten, eine Kaffeeecke, schallgeschützte Telefonboxen? Wird jemandem, der mit Desksharing nicht klarkommt, ein Recht auf einen festen Arbeitsplatz eingeräumt? Ein starres Konzept ist keine gute Idee. Es ist besser, immer neu zu überlegen, was verändert werden sollte.