Lesegeschichte

Klingspor – ein Rechter

Der Offenbacher Schriftgießereibesitzer Karl Klingspor (1868 – 1950) lebte und arbeitete auch zu Zeiten des Nationalsozialismus. Wie stand er zu den Nazis? Antworten von der Frankfurter Historikerin Andrea C. Hansert.

DRUCK+PAPIER: Was haben Sie herausgefunden?

Andrea C. Hansert: Klingspor gehörte in der Weimarer Republik zur äußersten Rechten und war Mitglied in der Deutschnationalen Volkspartei. Er vertrat stramm einen autoritären Staat. Es gab aber eine klare Trennung zu den Nazis. Die Nationalsozialisten waren Klingspor suspekt. Schon früh erkannte er ihre Korruptheit, er bezeichnete sie als Bonzen. Seine Rolle war zwiespältig. Nach dem Krieg wurde ihm seine antidemokratische Gesinnung vorgeworfen. Damit habe auch er mitgeholfen, den Nazis den Weg zu bereiten. Diese Kritik empfand er als ungerechtfertigt.

Wie arrangierte er sich mit den Nazis?

Wie viele Unternehmer machte auch Klingspor in der Nazizeit Kompromisse. So stellte er für die SS-Forschungsgemeinschaft Ahnenerbe eine Denkschrift her: die »Sippenzeichen der Ahnen des Führers«, ein Weihnachtsgeschenk von SS-Chef Heinrich Himmler für Adolf Hitler. Wenig später folgte der Auftrag für eine Denkschrift des Ahnenerbes zu Hitlers 50. Geburtstag. Klingspor war geschmeichelt und legte sich dafür gewaltig ins Zeug. In einem Brief schrieb er, die Denkschrift sollte das »monumentalste Druckwerk unserer Zeit« werden. Auch wenn er kein Parteimitglied war, wurde Klingspor vom NS-Staat sehr geschätzt. Für seine Verdienste um die Schriftkunst wurde er 1938 mit der Goethe-Medaille des Reiches ausgezeichnet.

Was bedeutet das Ergebnis Ihrer Forschung für sein Andenken?

Klingspor war der Erneuerer der Typografie in Deutschland und ein hoch angesehener Fachmann für Schrift- und Buchkunst. Auch wenn er sich zu diesen Aufträgen hinreißen ließ und ein Antidemokrat war, so schmälert das nicht seine hohen Verdienste. Man muss bei solchen historischen Wertungen die Verhältnismäßigkeit wahren.

Zum Weiterlesen

Andreas Hansert: »Offenbach am Main. Kultur im Sog des Nationalsozialismus: Kunstgewerbeschule, Deutsches Ledermuseum, Schriftgießerei Klingspor«. Böhlau Verlag, Wien 2019

Andrea C. Hansert, lebt mittlerweile als Frau. Das Buch zur Schriftgießerei Klingspor hat sie noch unter ihrem früheren Namen Andreas Hansert veröffentlicht.

Andrea C. Hansert, lebt mittlerweile als Frau. Das Buch zur Schriftgießerei Klingspor hat sie noch unter ihrem früheren Namen Andreas Hansert veröffentlicht.

Foto: Dirk Räppold 2020