Sie wollen was reißen!
Kämpferische Stimmung vor der Tarifrunde in der Papierverarbeitung
Ende November, das Ende der Ampel ist das i-Tüpfelchen nach der Covid-Pandemie, drei Jahren Krieg in der Ukraine, hohen Energiekosten, Inflation. »Die Kollegen und Kolleginnen haben das Gefühl, von Krisen überrannt zu werden«, sagt Kai Hennecke. Er erlebe die Stimmung im Betrieb als gedämpft. Kai Hennecke ist Tarifkommissionsmitglied und Betriebsratsvorsitzender bei Klingele in Remshalden. Überraschenderweise übertrage sich die schlechte Stimmung nicht auf die Tarifrunde. Im Gegenteil. »Viele sind gewillt, wirklich was zu reißen.« Vielleicht, überlegt er, sei ein Arbeitskampf auch eine Gelegenheit, selbst etwas beeinflussen zu können und nicht tatenlos zusehen zu müssen, wie etwas mit einem geschehe. Hennecke hält es für wichtig, schon jetzt viele Kolleg*innen für die Gewerkschaft zu gewinnen und deutlich zu machen, dass Leistungen im Tarifvertrag erkämpft und immer wieder verteidigt werden müssen.
Preise unverändert hoch
Die Vorbereitung zur Tarifrunde ist in vollem Gange. Zurzeit stapeln sich im Büro von Frank Schreckenberg die Fragebögen. ver.di hat – wie in den vergangenen Tarifrunden auch – die Beschäftigten befragt. Noch sind nicht alle Rückmeldungen ausgewertet. Erste Trends seien aber erkennbar, sagt Frank Schreckenberg, bei ver.di zuständig für die Papierverarbeitung: »Die Kollegen und Kolleginnen erwarten deutlich höhere Löhne und Gehälter und sind auch bereit, sich dafür – notfalls mit einem Arbeitskampf – einzusetzen.«
Tarifkommissionsmitglied Christian Fuchs von Bischof+Klein im niederbayerischen Konzell ahnt, dass es eine schwierige Tarifrunde werden wird. Er entkräftet schon mal vorsorglich den Einwand des Hauptverbandes Papier- und Kunststoffverarbeitung von der aktuell moderaten Inflation. »Diese Wahnsinnsinflation vor zwei Jahren hat die Preise geradezu explodieren lassen. Auf diesem Niveau sind die Preise doch geblieben! Die jetzt nicht ganz so hohe Teuerungsrate kommt doch oben drauf!« Einkaufen sei enorm teuer geworden. Auf mehr Geld ist die Belegschaft von Mayr-Melnhof Graphia in Trier besonders angewiesen. Denn die Alt-Beschäftigten haben seit 2,5 Jahren netto keinen Tarifcent mehr bekommen. Die Geschäftsleitung hatte deren außertarifliche Zulagen mit der tariflichen Lohn- und Gehaltserhöhung verrechnet. Demnächst wird es vermutlich zu einem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht kommen. »Die Kollegen erwarten einen guten Abschluss«, sagt Norbert Hillemacher, Mitglied der Tarifkommission.
Stellen bleiben unbesetzt
Hohe Löhne müssten auch im Interesse des Betriebes sein. »Bei uns können Stellen für Drucker, Packmitteltechnologen und Fachhelfer oft über einen Zeitraum von einem Jahr nicht besetzt werden, weil sich niemand bewirbt.« Und immer wieder kündige jemand, um woanders zu besseren Konditionen zu arbeiten.
Dirk Stöcker von Smurfit Westrock in Waren ist nicht nur für höhere Löhne und Gehälter, sondern auch für ein bis zwei zusätzliche freie Tage als Bonus für Gewerkschaftsmitglieder. Ähnlich der Forderung im öffentlichen Dienst. »Schließlich«, sagt das stellvertretende Tarifkommissionsmitglied, »sind wir es, die dafür sorgen, dass alle von besseren Leistungen profitieren.«
Über die Forderung entscheidet die Tarifkommission am 12. Dezember (nach Druck der DRUCK+PAPIER). Das Ende der Friedenspflicht ist am 31. Januar 2025.