Zum Tod von Klaus Schönauer
Harter Verhandler, kritischer Kopf und Elvis-Fan. Der langjährige Betriebsratsvorsitzende der Süddeutschen Zeitung ist mit 80 Jahren gestorben.
Man musste ihn nicht sehen, um zu wissen, dass er nahte. Seine Stimme durchdrang mühelos einen voll besetzten Saal. Ganz ohne Mikro. Ein Mensch, der einen Raum füllte durchs Da-Sein. Dem keiner ins Wort fiel, wenn er sprach. Der vom Präsidium aus einen Gewerkschaftstag heftigst diskutierender und hitzig aneinandergeratener Delegierter souverän dirigierte. So einer war Klaus Schönauer.
Mit 13 Jahren ist der Schriftsetzerlehrling in die IG Druck und Papier eingetreten. Bei den Falken organisiert, angesteckt vom politischen Aufbruch der 1968er-Bewegung, geschult in den Grundseminaren der »Roten Burg« in Springen, wollte er eins: im Betrieb mitmischen.
Und das tat er. Es war die Zeit der großen Erfolge: Als sich die IG Druck und Papier 1976 gegen die von Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) ausgerufenen Lohnleitlinien durchsetzte und 1984 den Durchbruch zur 35-Stunden-Woche schaffte. Die Belegschaft des Süddeutschen Verlags streikte mit. Ob ganze Schichten oder flexible Streiks, Schönauer habe immer alles kritisch hinterfragt, sagt ein Gewerkschaftssekretär von damals; war er dann aber überzeugt, war auf ihn Verlass. Wohlwissend, dass selbst der durchsetzungsfähigste Betrieb nichts ohne seine Gewerkschaft ist. Und auch in der mischte er mit: Tarifkommission, Hauptvorstand, Ortsverein.
Klaus Schönauer 2006 in einem Interview mit DRUCK+PAPIER, gerade frisch im Ruhestand
Schönauer schaufelte Wissen geradezu in sich hinein. Wenn er morgens von Landshut mit dem Zug im Büro in München eintraf, konnte er präzise das aktuelle Bundesarbeitsgerichtsurteil wiedergeben. Verhandeln konnte er mit der Energie eines Marathonläufers, Stunden über Stunden. Kaffee, fünf Löffel Zucker, Kaffeesahne, weiter ging’s. Schönauer fiel nicht um. Schon gar nicht, als ihm der Posten als Personalleiter angeboten wurde. Das hätte er als Verrat an der Belegschaft empfunden. Für die holte er raus, was möglich war. Als Chef, na klar. Bevor er in Urlaub ging, schärfte er den anderen Freigestellten ein, ja nix ohne ihn zu verhandeln. »Sagt’s, ihr hättet keine Zeit.« Schönauer war eben auch Fürst. Wer auch immer den Betriebsratsvorsitzenden großer Zeitungshäuser diesen Monarchentitel verliehen hatte, eins ist sicher: Sie führten sich als solche auf. Schönauer gehörte dazu, die Süddeutsche galt als ein Leuchtturmbetrieb. Und der Vorsitzende war damals vergleichbar mit dem Betriebsratsvorsitz bei VW. Dessen war sich Schönauer bewusst. Der auch Wert aufs Äußere legte. Teure Schuhe, das Sakko locker überm Arm. Hilfsbereit, angesehen, kollegial. An positiven Attributen fehlt es nicht. Doch gab es auch die andere Seite. Ein Kollege zitiert leicht verfremdet Clara Zetkin: Die Kollegen sollten aufhören, in der Kollegin in erster Linie eine Frau zu sehen, der man den Hof macht. Sie sollten sich vielmehr gewöhnen, die Frauen als Genossinnen und als gleichwertige, unentbehrliche Mitstreiterinnen im Klassenkampf zu behandeln. Klaus Schönauer, Fan von Elvis und Eishockey, hatte sich auf die Rente gefreut, aber viele gesunde Jahre blieben ihm nicht. Mit großer Kraft kämpfte er gegen die Folgen des Schlaganfalls, gegen den Krebs war er machtlos.