Gegen Standortkonkurrenz
Europäischer Betriebsrat bei der CPI-Gruppe: vernetzen und Informationen austauschen | Interview mit Christian Clement
Christian Clement, Betriebsratsvorsitzender von CPI Ebner & Spiegel in Ulm und Schriftführer (oberster Arbeitnehmervertreter) des Europäischen Betriebsrats der CPI-Gruppe
Überquert Christian Clement den Rhein, muss der Betriebsratsvorsitzende umdenken. Die CPI-Group, eine der größten Buchdruckereien Europas, hat ihren Sitz in Frankreich. Dort gilt das französische Modell für den Europäischen Betriebsrat (EBR). Es gibt keine betriebliche Mitbestimmung wie in Deutschland, kein Betriebsverfassungsgesetz, keine Friedenspflicht.
Stattdessen hat das Streikrecht Verfassungsrang. Legen in Frankreich mindestens zwei Beschäftigte die Arbeit nieder, um ihre Forderungen durchzusetzen, gilt das als Streik. Vieles ist in Frankreich anders. Zur Sitzung lädt der Unternehmenschef ein und er führt auch den Vorsitz. Bienvenue! Willkommen in Frankreich.
Einmal im Jahr trifft sich Christian Clement mit den anderen Arbeitnehmervertreter*innen aus Ländern mit CPI-Standorten in Paris.
DRUCK+PAPIER: Was haben die Belegschaften in Ulm und Leck davon, dass du und zwei weitere deutsche Kollegen zum Europäischen Betriebsrat gehören?
Christian Clement: Nichts, was sich mit den Mitbestimmungsrechten im Betriebsverfassungsgesetz vergleichen ließe. Allerdings erhalten wir wertvolle Informationen. Denn das Unternehmen hat dem Europäischen Betriebsrat gegenüber Informations- und Beratungspflichten. Der Chef der europäischen CPI-Gruppe berichtet direkt dem EBR. Er informiert über die wirtschaftliche Lage, über etwaige Umstrukturierungen, Investitionen. Diese Informationen erhält der EBR häufig, bevor sie im gesamten Management kommuniziert werden.
Informiert zu werden, klingt nicht nach großer Durchsetzungsmacht.
Man sollte das nicht unterschätzen. Solange der Europäische Betriebsrat berät, darf das Unternehmen eine Maßnahme nicht umsetzen, also keine Massenentlassungen vornehmen oder Werke schließen. Wobei hier die nationale Gesetzgebung entscheidend ist. In der Beratung können wir versuchen, die Entscheidung zu beeinflussen. Wie in Frankreich üblich, arbeitet auch der Europäische Betriebsrat hier mit Wirtschaftssachverständigen zusammen.
Aber der Europäische Betriebsrat kann eine Maßnahme nicht stoppen?
Nein. Das ist in Frankreich ebenso wenig möglich wie in Deutschland.
Welchen Vorteil siehst du darin, die Kolleg*innen aus den anderen Ländern mit CPI-Standorten zu treffen?
Ich erfahre, wie CPI in den anderen Ländern agiert. In Großbritannien wurde restrukturiert. Das ist ein Hinweis, dass Ähnliches auch in anderen Ländern geplant ist. Vor einiger Zeit ging das Gerücht um, dass sich ein Käufer für die CPI-Gruppe interessiert. Das Unternehmen hielt die Information unterm Deckel. Aber ein Kollege erkannte, wer da durch den Betrieb ging und der potenzielle Käufer war. Wir haben durch den Austausch einen Informationsvorsprung, sind miteinander vernetzt und verhindern dadurch, dass wir gegeneinander ausgespielt werden.
Die Mindestnorm der Richtlinie für Europäische Betriebsräte sieht eine Sitzung pro Jahr vor. Reicht das?
Nein. Auf keinen Fall. Unternehmen entwickeln sich rasant. Bei den Sitzungen wird es aber Änderungen geben. Im Textentwurf zur Überarbeitung der EBR-Richtlinie hat die Europäische Kommission die Kritik der Gewerkschaften aufgegriffen. Künftig sollen zwei Sitzungen pro Jahr verpflichtend sein.
Was hältst du von der Überarbeitung?
Es ist nicht der große Wurf, es wird aber Verbesserungen geben. Eine Kritik von Gewerkschaften wurde nicht berücksichtigt: Kommt der Arbeitgeber seinen Konsultationspflichten nicht nach, sollte es möglich sein, gerichtlich dagegen vorzugehen. Sanktionen gegen Rechtsverstöße des Arbeitgebers bleiben nationalen Regelungen vorbehalten.
Die Richtlinie muss noch vom Europäischen Parlament beschlossen werden und danach müssen die Länder sie in nationale Gesetze umsetzen. Bis das rechtskräftig ist, wird es noch dauern.
International besetzt
Zum Europäischen Betriebsrat der CPI-Gruppe gehören drei Vertreter aus Deutschland, drei aus Großbritannien, zwei aus Frankreich und ein Kollege aus Spanien. Bis auf Tschechien sind damit alle Länder mit Werken der europäischen CPI-Gruppe vertreten. Das sogenannte Board, vergleichbar mit einem geschäftsführenden Ausschuss, übernimmt die Arbeit zwischen den Sitzungen. Die Sitzungen werden von Simultandolmetscher*innen übersetzt. Dennoch sind die verschiedenen Sprachen ein Problem, weil sich nicht alle Teilnehmer*innen in den Pausen oder abends miteinander verständigen können. Einen Vorteil für die schriftliche Kommunikation stellen mittlerweile die auf künstlicher Intelligenz basierenden maschinellen Übersetzungen dar.