Aus den Betrieben

35 und keine Stunde mehr

Belegschaft fordert Einhaltung des Vertrags | Altonaer Wellpappenfabrik von Panther Packaging will Arbeitszeit erneut verlängern

Tornesch ist eine kleine Stadt im Kreis Pinneberg, eine halbe Stunde von Hamburg entfernt. Hier haben sich die Panther Cargo, die Altonaer Wellpappenfabrik und die Muttergesellschaft Panther Packaging angesiedelt. In der Belegschaft der Altonaer Wellpappenfabrik rumort es. Jahrelang haben die Beschäftigten auf tarifliche Lohnerhöhungen verzichtet und viele Stunden unbezahlt gearbeitet. Immer wieder wehrte sich die Belegschaft gegen die Zumutungen. Auch jetzt wieder. 

Lohnerhöhungen gestundet

Zum Hintergrund: 2004 hatte die Wellpappenfabrik die Tarifbindung aufgegeben und Einzelarbeitsverträge durchgesetzt. Als Folge verloren die rund 140 gewerblich Beschäftigten ihre zwei freien Tage als Ausgleich zur Schichtarbeit. Außerdem mussten sie 2,5 Stunden der 37,5-Stunden-Woche unbezahlt arbeiten. Mit Warnstreiks an zwei Tagen in allen Schichten machten sie so viel Druck, dass ein Haustarifvertrag vereinbart werden konnte. Der war identisch mit dem Flächentarifvertrag der Papierverarbeitung, allerdings mitsamt der tariflichen Öffnungsklausel. Danach kann die Arbeitszeit von 35 auf 38 Stunden unbezahlt verlängert werden, wenn dafür nicht betriebsbedingt gekündigt wird. »Drei Stunden Gratisarbeit pro Woche sind übel. Aber wir hatten wieder einen Tarifvertrag und bekamen tabellenwirksame Lohnerhöhungen«, sagt ein Betriebsratsmitglied.

2014 forderte das Unternehmen von der Belegschaft erneut Verzicht – als Gegenleistung für die neue Wellpappanlage. Andernfalls, so erinnern sich Betriebsratsmitglieder an die Drohung der Geschäftsführung, werde der Betrieb von Schleswig-Holstein nach Mecklenburg-Vorpommern verlagert. Die Mehrheit der ver.di-Mitglieder stimmte aus Furcht, den Arbeitsplatz zu verlieren, für Verzicht im Standortsicherungstarifvertrag. Jedes Jahr gab es lediglich ein Prozent mehr Lohn. Die tariflichen Lohnerhöhungen wurden über sechs Jahre ausgesetzt und sollten in einem Zeitraum von 2022 bis spätestens Ende 2024 an die Belegschaft zurückbezahlt werden. Inzwischen sind es mehr als 13 Prozent.

Der Standortsicherungstarifvertrag ist seit Ende vergangenen Jahres ausgelaufen. Die Belegschaft arbeitet wieder 35 Wochenstunden. Eigentlich könnte nun Alltag einkehren. Das Unternehmen könnte mit der Rückzahlung starten und der Betriebsfrieden wäre wiederhergestellt. So ist es aber nicht. Das Unternehmen will die gestundeten Lohnerhöhungen erst zahlen, wenn die Arbeitszeit wieder auf 37,5 Wochenstunden steigt. »Die Belegschaft ist stinksauer«, sagt ver.di-Gewerkschaftssekretär Jürgen Krapf. Sie habe sich stets an die Abmachungen gehalten, das erwarte sie jetzt auch vom Unternehmen. Seit anderthalb Jahren werde verhandelt – ohne Ergebnis. »Die tarifliche Lohnerhöhung von 2,4 Prozent für dieses Jahr ist fällig.« Mehrere Dutzend Beschäftigte machen diese inzwischen vor Gericht geltend.  

Geld ist genug da, aber nicht für die Belegschaft

Das Unternehmen erklärt auf Anfrage von DRUCK+PAPIER schriftlich, dass Verträge eingehalten würden. So verfahre man auch beim Standortsicherungstarifvertrag. Die Tarifbindung aus dem Firmentarifvertrag stehe nicht in Frage. Die Anfrage für ein telefonisches Interview bleibt unbeantwortet. 

Noch etwas: Seit fast einem Jahr arbeitet die Belegschaft 35 Stunden pro Woche. Ihr gefällt, freitags früher Feierabend zu machen. »Alle wollen die 35 behalten. Kaum einer will zurück zur langen Arbeitszeit, nicht einmal mit Bezahlung«, sagt ein Betriebsrat. Die ver.di-Mitglieder in der Altonaer Wellpappenfabrik votierten bei einer Umfrage einstimmig für die 35. 

Kürzlich gab das Unternehmen die Erweiterung des Standorts bekannt. Ein Grundstück ist gekauft, nächstes Jahr sollen eine Produktionshalle gebaut und zwei Faltschachtelklebemaschinen angeschafft werden. »Geld ist genug da, aber nicht für die Belegschaft«, kritisiert ein Beschäftigter. 

Die Verhandlungen zwischen der Wellpappenfabrik und ver.di sollen Anfang Dezember (nach Redaktionsschluss) weitergehen.                                                   

Panther Packaging – familiär, traditionell, tariflos

Panther Packaging bezeichnet sich als traditionelles Familienunternehmen. Neben der Altonaer Wellpappenfabrik gibt es Werke in Wustermark, Coswig, Illingen, Bottrop und Stuhr. Außer in Tornesch gilt in keinem Werk der Tarifvertrag der Papierverarbeitung. Mancherorts werden 37,5 Stunden pro Woche bezahlt, woanders 40. Manchmal werden tarifliche Lohnerhöhungen weitergegeben, manchmal nicht. Dafür unterzeichnen Betriebsräte (gesetzwidrige) Vereinbarungen mit der Geschäftsleitung. Die Gewerkschaft wird außen vor gehalten.