Aus den Betrieben

Aufträge als Druckmittel

Wer glaubt, die Schließung einer Druckerei sei Unheil für die einen und Glück für die anderen, irrt. Die Funke Mediengruppe macht alle zu Verlierern – außer sich selbst.

Letzte Meldungen aus dem Stadtrat oder Spielergebnisse von Rot-Weiß Erfurt suchen Leser*innen der Thüringer Zeitungen inzwischen vergeblich. Seit Schließung der Funke-Druckerei in Erfurt werden die Thüringer Allgemeine, Thüringische Landeszeitung und Ostthüringer Zeitung in Braunschweig, Halle und Chemnitz produziert. Von dort werden die Zeitungen nachts nach Thüringen transportiert. Das dauert von Braunschweig allein um die zweieinhalb Stunden. Da bleibt keine Zeit, um nach Andruck Aktuelles nachzuschieben.

Seit diesem Jahr gibt es – trotz vieler Proteste von ver.di, Mahnwachen, Streiks, Notausgaben und Verhandlungen – keine Zeitungsdruckerei mehr in Thüringen. Obwohl ein vom Betriebsrat beauftragtes Gutachten belegte, dass die Kosten für das Unternehmen bei Fortführung der Druckerei niedriger gewesen wären als für die Stilllegung plus Auslagerung in Fremdfirmen.

»Von den 270 Beschäftigten sind die meisten irgendwo untergekommen«, sagt Dustin Hertel, der damalige Betriebsratsvorsitzende. Knapp 20 in anderen Druckereien, die meisten branchenfremd, etliche bei Online-Versandhändlern, einige wieder auf der Suche. »Ich höre von vielen, dass sie jetzt für weniger Geld arbeiten müssen.«

Nicht die Profiteure

Eine Teilauflage von 90.000 Exemplaren sowie das Anzeigenblatt landeten bei der Funke-Druckerei in Braunschweig. Sind die 80 Beschäftigten Profiteure der Schließung in Erfurt? »Wirklich nicht«, sagt Betriebsratsvorsitzender Holger Musiol. »Den Auftrag haben wir nur gegen Zugeständnisse erhalten.«

Das Ergebnis der Verhandlungen: Die Druckerei bleibt bis Ende 2025 bestehen. Im Gegenzug werden neue Beschäftigte in einer Funke-Service-Firma unter Tarif eingestellt – auf ein Jahr befristet. Besetzungsregeln wurden verschlechtert, Arbeitszeiten noch stärker an die Produktion angepasst. Die 33-Stunden-Woche (ohne Lohnausgleich) – 2013 eingeführt, um Arbeitsplätze zu sichern – bleibt erhalten.

Mehr Arbeit bei gleicher Personalstärke

Die Stimmung sei schlecht, berichtet Musiol. Zu viel Arbeit für zu wenig Menschen – es müsse dringend mehr Personal eingestellt werden. Er ist dennoch überzeugt, dass es gut war, die Druckaufträge zu bekommen. »Damit haben wir die Arbeitsplätze ein paar Jahre gesichert.« Auch wenn es offensichtlich sei, dass Funke die Aufträge aus Erfurt als Druckmittel benutzte, um schlechtere Arbeitsbedingungen durchzusetzen.

Die Funke Mediengruppe betreibt nach den Schließungen in Löbichau, Essen und Erfurt noch zwei Zeitungsdruckereien: die tariflose in Hagen und die tarifgebundene in Braunschweig. Die Tarifbindung war Voraussetzung für den neuen Job von Funke-Druckereichef Klemens Berktold: Er ist seit Kurzem Verhandlungsführer beim Bundesverband Druck und Medien (bvdm).

Weitere Infos zur Druckereischließung in Erfurt:
verlage-druck-papier.verdi.de/druck/druckzentrum-erfurt