Nicht einlullen lassen von schönen Worten
Alle vier Jahre wählen Beschäftigte ihre Betriebsräte. Die Wahlbeteiligung ist so hoch wie bei keiner politischen Wahl. Die Belegschaften wissen: Ohne Betriebsräte stünden sie schlecht da. Doch was leisten die Arbeitnehmer*innenvertretungen eigentlich? Vier erfahrene ver.di-Betriebsräte berichten von täglichen Kämpfen und Erfolgen.
Betriebsratswahlen 2022
Vom 1. März bis 31. Mai 2022 finden in Deutschland die turnusmäßigen Betriebsratswahlen statt. Die Amtszeit der gewählten Arbeitnehmer*innenvertretungen beträgt vier Jahre.
Wählen dürfen alle Beschäftigten des jeweiligen Betriebs, sofern sie am Tag der Stimmabgabe mindestens 16 Jahre alt sind. Die Nationalität spielt keine Rolle.
Auch Leiharbeitskräfte können den Betriebsrat mit wählen, wenn sie voraussichtlich mindestens drei Monate in einem Betrieb eingesetzt sind. Nicht wahl-berechtigt sind dagegen leitende Angestellte sowie der Arbeitgeber.
Wer zum Zeitpunkt der Wahlen dauerhaft im Homeoffice arbeitet oder wegen Kurzarbeit null nicht in den Betrieb kommt, muss die Möglichkeit zur Briefwahl bekommen.
Komplizierte Konzernstruktur
Mohsen Mirshafiee, 63, Betriebsrat bei DuMont Druck in Köln
Foto: privat
»Wir haben es bei DuMont mit einem Konzern zu tun, der strukturell immer unübersichtlicher wird. Seit die Mediengruppe vor ein paar Jahren begonnen hat, sich rechtlich neu aufzustellen, sind die Strukturen immer wieder verändert und dadurch so kompliziert geworden – da braucht man beinahe eine eigene Ausbildung, um das zu begreifen. Viele Betriebe wurden zugekauft, andere verkauft. Ständig ändern sich personelle Zuständigkeiten. Aber vor allem wurden vormals einheitliche Betriebe in verschiedene tarifgebundene und tariflose Gesellschaften aufgespalten. Seitdem gibt es allein bei uns in Köln neben den vielen Gesellschaften drei DuMont-Unternehmen: uns als Druckzentrum sowie zwei Redaktionsgesellschaften, die eine tarifgebunden, die andere nicht. Bislang haben wir in Köln trotzdem noch einen einheitlichen Betriebsrat, weil die drei Gesellschaften die ›gemeinsame Betriebsführung‹ vereinbart haben. Diese Vereinbarung läuft Anfang 2022 aus. Wenn sie nicht verlängert wird, müssen wir nächstes Jahr getrennte Betriebsräte wählen – das würde uns schwächen. Denn gemeinsam sind wir immer stärker.
Im vergangenen Jahr ist es uns gelungen, das Druckzentrum vor der Schließung zu retten. Alle anderen drei Druckereien hat DuMont 2020 verkauft. Das Druckzentrum am Standort Köln sollte aus wirtschaftlichen Gründen dichtgemacht werden. Wir haben aber einen Haustarifvertrag aushandeln können, mit dem betriebsbedingte Kündigungen zumindest bis Ende 2023 ausgeschlossen sind. Dafür müssen die 200 Kolleginnen und Kollegen der Stammbelegschaft allerdings auf Teile ihres Einkommens verzichten. Das ist natürlich schmerzhaft – auch weil wir damit ausbaden müssen, dass DuMont in der Vergangenheit mit seinen gescheiterten Expansionsversuchen viel Geld verbrannt hat.«
ver.di-Liste holt auf
Rainer Hosemann, 58, freigestellter Betriebsrat bei Mohn Media Mohndruck in Gütersloh
Foto: privat
»Der Bertelsmann-Konzern, zu dem wir als größte Offsetdruckerei Europas gehören, steht Gewerkschaften sehr kritisch gegenüber. Das bleibt leider auch nicht ohne Wirkung auf die Haltung der Beschäftigten: Wir haben als ver.di-Liste bei den vergangenen Betriebsratswahlen zwar nach und nach immer mehr aufholen können, aber auch bei den jüngsten Wahlen stimmte immer noch die Mehrheit für eine sogenannte Unabhängige Liste, die behauptet, dass sich die Dinge ohne Gewerkschaft besser regeln lassen. Aber weil ein Mitglied dieser ›Unabhängigen‹ die Fraktion verlassen hat, haben sich die Mehrheitsverhältnisse im Betriebsrat zwischenzeitlich geändert und wir konnten den Betriebsrat konfliktbereiter aufstellen. Das hat sich für die Beschäftigten bezahlt gemacht.
In der Corona-Krise haben wir eine Regelung verhandelt, die ein Recht auf acht Tage mobiles Arbeiten im Monat garantiert. Wir haben bei der Einführung von Kurzarbeit einen Kündigungsschutz für alle Beschäftigten durchgesetzt. Und wir haben dazu beigetragen, dass ein vom Unternehmen vorgesehener Abbau von fast einem Viertel der 2.000 Arbeitsplätze akzeptabel abgefedert werden konnte. Bis 2025 sollen 467 Jobs bei Mohn Media verschwinden. Der Großteil davon ließ sich über Verrentung und den Abbau von Leiharbeit schaffen. Für die restlichen rund 130 Stellen haben wir dann so attraktive Abfindungsangebote erreicht, dass sich am Ende mehr Leute gefunden haben, die zu diesen Bedingungen gehen wollten, als nötig. Dieses Freiwilligenpaket auszuhandeln, war sicher die größte Aufgabe für den Betriebsrat. Und das ist richtig gut gelaufen.«
Konfliktfähig bleiben!
Alfred Roth, 65, Betriebsratsvorsitzender beim Medienunternehmen VRM in Mainz
Foto: Harald Kaster
»Das Betriebsklima bei uns im Unternehmen ist eine ständige Herausforderung. Viele Führungskräfte pflegen einen sehr autoritären Führungsstil, ausgerichtet auf Befehl und Gehorsam. Militärisch sozusagen. Jetzt bemüht sich die Geschäftsführung, unter Schlagworten wie ›New Work‹ für eine Verbesserung zu sorgen. Und wenn ›New Work‹ tatsächlich gute Arbeit bedeutet, dann machen wir da als Betriebsrat gerne mit. Aber je länger man im Unternehmen ist, desto weniger glaubt man den Sonntagsreden. Es wird von Kulturleitlinien und einem wertschätzenden Umgang geredet, aber unausgesprochen steckt dahinter der Versuch, Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten zu umgehen. Nach dem Motto: Wir können das doch ohne Betriebsrat klären.
Wenn man dagegen Position bezieht, muss man als Betriebsrat aufpassen, nicht zum Buhmann gemacht zu werden. Doch es ist wichtig, konfliktfähig zu bleiben – um der Sache willen. Erfahrung hilft dabei natürlich. Bei uns im Betriebsrat sind in der letzten Zeit allerdings etliche altgediente Mitglieder ausgeschieden, weil sie in Altersteilzeit oder Rente gegangen sind. Auch ich werde nicht noch einmal kandidieren – nach 28 Jahren im Betriebsrat. Damit der Generationswechsel gelingt, haben die nachrückenden Mitglieder Schulungen bei ver.di durchlaufen, zu rechtlichen wie technischen Fragen. Ich denke deshalb, dass auch bei den nächsten Wahlen Kolleginnen und Kollegen antreten werden, die ein gutes Know-how haben – und die sich von schönen Worten nicht einlullen lassen.«
Ständiger Kampf
Michael Heizmann, 53, Betriebsratsvorsitzender bei MM Innovaprint in Delmenhorst
Foto: privat
»Wir sind ein eher kleiner Betrieb, mit rund 65 Kolleginnen und Kollegen bedrucken und stanzen wir Zigarettenschachteln. Bis wir vor gut zehn Jahren vom österreichischen Verpackungsriesen Mayr-Melnhof übernommen wurden, haben wir uns als Betriebsrat mit dem Arbeitgeber immer einigen können. Aber seitdem ist vieles anders. Seitdem ist hier ständiger Kampf. Denn für Mayr-Melnhof zählt das Geld, nicht der Mensch. Wir mussten auf viel verzichten, immer wieder sollten wir abgeben. Sonderzahlungen wie das Weihnachtsgeld wurden zusammengestrichen. Aber das wollen wir nicht einfach so hinnehmen. Wir wehren uns – und sind im Konzern damit so etwas wie das gallische Dorf.
Immer wieder müssen wir als Betriebsrat vor das Arbeitsgericht ziehen, weil sich der Unternehmer nicht an Absprachen hält oder uns unsere Rechte vorenthalten will. Und meistens bekommen wir dann eine akzeptable Lösung für die Kolleginnen und Kollegen zustande. Aktuell läuft unter anderem ein Verfahren, da geht es um Arbeitsschutz. Wir hatten als Betriebsrat einem Antrag auf Mehrarbeit zugestimmt, aber nur unter der Bedingung, dass es nach sieben Tagen Arbeit auf jeden Fall einen freien Tag gibt. Einen Kollegen hat der Arbeitgeber trotzdem 14 Tage am Stück arbeiten lassen. So darf man mit seinen Mitarbeitern nicht umgehen. Und nicht mit uns als Betriebsrat.
Uns ist es wichtig, die Belange der Kolleginnen und Kollegen zu vertreten, gegen alle Widerstände. Das ist anstrengend, natürlich. Aber was sollen wir sonst machen?«