Leuchtfolie auf Tapeten, Sensoren auf Krankenhausmatratzen, Solarfolien für Fensterscheiben: Das Potenzial für gedruckte Elektronik ist groß | Ein Blick ins Institut für Druckmaschinen und Druckverfahren der Technischen Universität Darmstadt
Institutsmitarbeiterin Christina Bodenstein bringt ein Apfelweinglas zum Leuchten. Ob aus Glas oder Kunststoff, glatt oder geriffelt, für jede Oberfläche müssen die Druckmaterialien angepasst werden.
Wer zum Forschungslabor mit den Druckmaschinen will, spaziert im Flur des Instituts direkt an einer Glasvitrine vorbei: darin eine Visitenkarte, auf der die Skyline von Darmstadt grellblau leuchtet, daneben ein Plastikbecher mit Lautsprecher, der im Takt der Musik blinkt. Außerdem eine Holzplatte für den Fußboden mit strahlenden Sechsecken in Knalltürkis. Deutlich zeichnet sich darauf ein Muster aus silbernen Leiterbahnen ab. »So ein Design würde sicher niemand gerne im Wohnzimmer als Bodenbelag haben«, räumt der Leiter der Forschungsgruppe funktionales Drucken an der Technischen Universität (TU) Darmstadt, Dr. Hans Martin Sauer, ein. Doch das ist Nebensache. Viel wichtiger: Die Leuchteffekte wurden mit einer Siebdruckmaschine aufgedruckt. Seit zehn Jahren forscht sein Team am Institut für Druckmaschinen und Druckverfahren (IDD), welche Möglichkeiten die Elektronik aus dem Drucker bietet. Sein Fazit: »Technisch funktioniert sehr viel.«
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können Leuchtfolien, Lautsprecher, Solarzellen, Datenspeicher und Sensoren drucken – und zwar hauchdünn. Und auf großer Fläche. »Das ist die große Stärke von gedruckter Elektronik«, sagt Sauer. Hinzu kommt, dass sie biegsam ist und sich flexibel der Oberfläche anpasst. Das Beispiel der Bodenpaneele zeige, wie belastbar die Technik sei. Darauf könnten Menschen mit Stöckelschuhen herumspazieren oder einen Eimer voll Wasser ausgießen. Ein weiterer Vorteil sei, dass die Technik aus dem Drucker im Vergleich zu konventioneller Elektronik viel günstiger sei – und sich leicht in die Produktionsprozesse einfügen lasse. Denkbar sei zum Beispiel, die Flure in Krankenhäusern großflächig mit Leuchtfolie auszustatten. Oder Tapeten. Oder Fahrräder. Oder. Oder. »Wir liefern das Know-how. Was damit passiert, ist eine andere Frage. Dafür braucht es geniale Ideen.«
Auf einer einfachen Pappschachtel leuchtet das Logo des Instituts. Dr. Hans Martin Sauer und sein Team erforschen, was Elektronik aus dem Drucker alles kann.
An Ideen mangelt es nicht. Die Bundesregierung stellt Forschungsgelder bereit, um den Nutzen von gedruckter Elektronik für ältere Menschen auszutesten. Aktuell forschen die Darmstädter daran, Matratzen von Krankenhausbetten mit Sensoren auszustatten. Die Elektronik soll automatisch melden, wenn Feuchtigkeit auftritt und somit akuter Pflegebedarf besteht. Möglich sei auch, Bodenbeläge für Wohnungen oder Altenheime mit Sensoren zu bedrucken. So könnte eine Pflegekraft per Smartphone informiert werden, wenn jemand aus dem Bett gefallen sei.
Leuchtende Apfelweingläser
Gedruckte Elektronik steckt auch in Verpackungen. Dabei werden Funketiketten mit einem Sensor gedruckt, der etwa die Temperatur kontrolliert – und meldet, wenn bei Milch oder Medizin die Kühlkette unterbrochen oder das Haltbarkeitsdatum überschritten wurde. »Pilotstudien zeigen: Das klappt«, betont Sauer. Jetzt muss sich nur jemand finden, der die Erfindung einsetzen – und finanzieren – will. Gleiches gilt für Eintrittskarten mit Speicherchips, Solarfolien für Fensterscheiben oder Bücher mit Lautsprechern. »Das Potenzial ist groß.« Allerdings, fügt der Forscher hinzu, gebe es noch tausend Probleme, nein, Herausforderungen, korrigiert er sich.
Auf der Visitenkarte des Instituts strahlen Mond und Sterne in Türkis über der Skyline von Darmstadt.
Das Drucken selbst funktioniere schon gut. Sauers Team arbeitet vor allem daran, Materialien und Abläufe zu optimieren. Institutsmitarbeiterin Christina Bodenstein fährt mit dem Zeigefinger über die geriffelte Struktur eines Apfelweinglases. Im Tiefdruckverfahren hat sie darauf Leuchteffekte in Türkis gedruckt. »Licht ist einfach zu drucken«, berichtet die Doktorandin. Allerdings nicht direkt auf gekrümmte Oberflächen. An einer Tampondruckmaschine überträgt sie zunächst Leiterbahnen aus Silberpaste auf das Glas. Danach eine normale Druckfarbe, die mit Funktionspartikeln versetzt zur Isolation dient – und darüber eine Druckfarbe mit Zinksulfidpartikeln als Leuchtstoff. Dabei kommt es darauf an, dass der Druck ganz exakt ausgeführt wird. Berühren sich die Leiterbahnen, kann es einen Kurzschluss geben. Die Wissenschaftlerin stellte fest, dass es immer wieder Farbspritzer gibt. »Mit dem Auge sind sie kaum wahrnehmbar.« Bei einem Grafikdruck würden sie gar nicht weiter auffallen, doch Elektronik können sie ruinieren. Also musste sie erst die Ursache suchen, ein Kapitel ihrer Doktorarbeit.
Gedruckte Digitaluhr
Ein paar Meter weiter tüftelt ein Kollege daran, eine Digitaluhr zu drucken. »Ist so gut wie fertig«, ruft er und hält eine dünne Plastikplatte hoch. Darauf hat er Leiterbahnen aus Silberpaste und Lettern aus thermochromer Farbe gedruckt. Fließt Strom, erhitzt sich die Farbe, wird transparent – und die Uhrzeit wird sichtbar.
Im Technikum drängen sich allerhand Maschinen in verschiedenen Größen. Der kleinste Apparat ist so groß wie ein Rucksack und passt ins Regal. »Daran kann man schnell mal etwas mit ein paar Tropfen ausprobieren«, sagt Sauer. »Und weiß direkt, ob es ein Problem gibt.«
Elektronik lässt sich zum Beispiel im Flexo-, Tief- und Siebdruck herstellen. Wer topmoderne Maschinen erwartet, wird sich im Institut verwundert umschauen. Die meisten Druckapparate sind in die Jahre gekommen und wurden teils von Firmen ausrangiert. »Deshalb ist die gedruckte Elektronik so reizvoll«, sagt Sauer. »Vom Druckprozess her ist es nichts anderes als ein grafischer Druck. Für Drucker ist so etwas ganz normaler Alltag.«
Sparsamer Materialeinsatz
Die Digitaluhr, die aus dem Drucker kommt.
Die Bodenplatte mit den blinkenden Sechsecken ließen die Forscher in einer Druckerei herstellen, die sonst T-Shirts bedruckt. Und Bodenstein bringt ihre Apfelweingläser an einer Maschine zum Leuchten, die vorher Schrift auf Kabel gedruckt hat. Natürlich gibt es auch Druckverfahren, die hoch spezialisierte Maschinen erfordern. Organische Leuchtdioden zum Beispiel müssen in einem klimatisierten, staubfreien sogenannten Reinraum gedruckt werden, wie er beispielsweise bei InnovationLab in Heidelberg – langjähriger Kooperationspartner der TU Darmstadt – zur Verfügung steht.
Im Zuge ihrer Forschung haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler noch etwas herausgefunden. Für die Elektronik haben sie eine Drucktechnik entwickelt, die Material sehr viel sparsamer einsetzt, berichtet Sauer. Dadurch seien sie in der Lage, extrem dünne Schichten bis in den Nanometerbereich zu drucken. Eine Chipstüte zum Beispiel bestehe aus mehreren Schichten Kunststofffolie. Durch ein effektiveres Beschichtungsver fahren lasse sich die Verpackung viel dünner herstellen. Weltweit würden jede Sekunde vier Fußballfelder voll Verpackungsmaterial produziert. »Da ließen sich gewaltige Mengen sparen.«
Die Grundlagen müssen stimmen: In Zeitlupe beobachtet Thorsten Bitsch, wie ein Farbtropfen auf den Zylinder einer Tiefdruckmaschine fällt. So prüft er zum Beispiel, ob der Winkel der Rakel perfekt ist.