Aus den Betrieben

Die Stiefkinder der Funke-Familie

Zeitungskonzern lässt Zusteller*innen bei Inflationsprämie leer ausgehen

Als Julia Becker vor einigen Jahren die Führung der Funke-Mediengruppe übernahm, gab sie schöne Worte zu Protokoll. »Meine Idealvorstellung lautet, dass wir ein Unternehmen gestalten, in dem sich alle Mitarbeiter als große Familie fühlen«, sagte die Verlegerin in einem Interview. Die rund 12.000 Zusteller*innen, die die Zeitungen und Zeitschriften des Konzerns austragen, das Hamburger Abendblatt, die Westdeutsche Allgemeine Zeitung, die Berliner Morgenpost oder die Hörzu, fühlen sich allerdings eher wie Stiefkinder behandelt. »Wir sind ausgeschlossen beim Jobticket, können anders als andere Beschäftigte kein E-Bike über das Unternehmen leasen und haben – außer im Betriebsrat – keinen Zugang zum Intranet«, sagt Jasmine Kierschniok, Betriebsratsvorsitzende der Funke Bottrop Logistik, einer von mehr als 20 Zustellgesellschaften des Konzerns. »Und jetzt wird uns erneut die Inflationsausgleichsprämie verwehrt.«

Zeit für die Rückkehr zum Tarif

Zum zweiten Mal nach 2022 gewährt Funke seinen Beschäftigten eine solche Einmalzahlung. Zwischen 100 und 500 Euro gibt es je nach Gehaltsstufe und für die wenigen Redakteur*innen, die nach Tarif bezahlt werden, sogar 2.250 Euro. Nur eine Gruppe geht auch diesmal leer aus: die Zusteller*innen. »Es heißt, wir seien zu viele. Außerdem gebe es seit Oktober ja mehr Mindestlohn, das reiche doch als Ausgleich«, berichtet Kierschniok. »Dabei sind wir es, die das Geld reinholen: Funke macht seine Gewinne immer noch mit den Zeitungen, die nachts bei Wind und Wetter von uns verteilt werden. Und nicht im Digitalen.«

Den Einsatz der Zusteller*innen in der Corona-Pandemie hatte das Unternehmen noch mit einer Prämie honoriert. Es gab einmalig 50 Euro.

Die Funke-Betriebsräte haben gegen die Ungleichbehandlung bei der Inflationsausgleichsprämie protestiert. Sie beklagen, dass die »soziale Spaltung in der Belegschaft« verstärkt werde, und kennen auch das Gegenmittel: die Rückkehr in die Tarifbindung. »Die ersten Standorte«, heißt es in der gemeinsamen Erklärung, »kämpfen bereits dafür.«