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Unterwegs zum jüngsten Monotypegießer

Noch vor Wochen ließ Max Lotze in der Offizin Haag-Drugulin Schriften und Satz aus Blei entstehen; nun muss er die Schwarze Kunst womöglich aufgeben.

»Digital war gestern!« Davon war der jüngste Monotypegießer bis vor Kurzem noch überzeugt. Nach seiner Ausbildung zum Mediengestalter Digital und Print hatte der knapp 40-jährige Lotze im Dresdner Typostudio SchumacherGebler gearbeitet, als dort 2009 Laster mit Maschinen und bleischweren Kisten eintrafen. Prinzipal Eckehart SchumacherGebler holte auch den Produktionssitz der traditionsreichen Offizin Haag-Drugulin an die Elbe. Lotze half beim Ausladen und fragte nebenbei, ob Druckerei-Nachwuchs gesucht werde. Die Folge: Fortan brachte ihm ein Meister das Monotypegießen bei – zwei Tage die Woche, zwei Jahre lang. Noch etwas länger habe es gedauert, bevor der Neuling bei Problemen »niemanden mehr anrufen musste«.

Danach stand Lotze mit den wenigen älteren Kollegen, mit Expert*innen und Kund*innen weltweit in Kontakt. Er beherrschte mit drei Satzgießmaschinen und zwei Monotype »Supra« für Plakatschriften bis 72 Punkt den letzten Stand der für das Hochdruckverfahren entwickelten Technik. Die Maschinen lassen 380 Grad heißes Blei in Matrizen fließen – nicht zeilenweise (Linotype), sondern Buchstabe für Buchstabe. Die Mechanik ist höllisch laut, aber so ausgeklügelt, dass sie zwei bis drei Lettern pro Sekunde ausspucken kann – abgenommen von einem Lochstreifen, der vorher an einer Setzmaschine, dem sogenannten Taster, erzeugt wurde.

Ein Schatz unter Denkmalschutz

Lotze konnte auf die Weise einzelne Buchstaben gießen, aber auch Satz für ganze Bücher fertigen. Das Matrizen- und Schriftenlager mit Raritäten wie Bravour oder Kabel, das SchumacherGebler über Jahrzehnte zusammengetragen hatte, war bis zu dessen Tod im Dezember vorigen Jahres nicht einmal komplett katalogisiert. Doch von A wie Albion bis W wie Würzburger Fraktur waren mehr als 100 Alphabete sofort nutzbar, auch kyrillische, hebräische und griechische: in unterschiedlichen Schriftgrößen und -schnitten, samt Ziffern, Sonderzeichen, Ligaturen – ein Schatz.

Der steht jetzt unter Denkmalschutz, liegt aber brach. Keiner der Firmenerben will das Blei behalten. »Sammlung, Maschinen und unser Know-how funktionieren aber nur gemeinsam.« Davon ist Max Lotze überzeugt. Er und seine vier im Bleisatz und Bleidruck versierten Kolleg*innen könnten jährlich drei Bücher im Bleisatz machen, Postkartensätze oder Plakate drucken … Doch Anfang Februar wurden alle entlassen. Der Schriftengießer arbeitet wieder als Mediengestalter. Es sei denn, es findet sich ein Käufer oder Mäzen für die Offizin. Auch die Büchergilde Gutenberg will sich engagieren.